5. Februar 2021
Am gestrigen 4. Februar feierte Gerhard Hund seinen 89. Geburtstag. Er ist ein Pionier des Onlinezeitalters und war schon lange in Netzwerken beruflich und privat unterwegs, als das Internet noch eines von sehr vielen Telekommunikationsnetzen war. Von März 1997 bis Sommer 2005 betreute er die Website der Deutschen Schachjugend. Die damalige Seiten sind noch heute online und ein unerschöpflicher Fundus für geschichtlich interessierte Schachspieler. Der Fortbestand der TeleSchach-Seiten sind auch nach seinem Tod bereits abgesichert. Doch der hoffen wir, liegt noch weit in der Zukunft.
Unser Beauftragter für Schachgeschichte und Schachkultur, André Schulz, führte mit Gerhard Hund an dessen Geburtstag das nachfolgende Interview. Herzlichen Glückwunsch nachträglich lieber Gerhard Hund!
Herzlichen Glückwunsch zum 89sten Geburtstag. Wie verleben Sie diesen in Zeiten von Corona? Können Sie mit jemandem feiern?
Heute Nachmittag war ich mit meiner Tochter Barbara zusammen.
Sie leben jetzt in Freiburg. Wie ist dort derzeit die Situation?
Es herrscht totaler Lockdown. Ich in Einzelhaft mit Freigang und Abstand halten.
Haben Sie schon einen Impftermin oder sind Sie vielleicht sogar schon geimpft?
Ich lasse anderen Personen den Vortritt, wie zum Beispiel den im Krankenhaus arbeitenden Personen.
Ihre Liebe zum Schach ist sprichwörtlich. Wie und wann hat es bei Ihnen mit dem Schachspiel angefangen? Was hat Sie am Schach begeistert?
Direkt nach dem Krieg gab es außer Schulunterricht sehr wenig. Nur Fußball spielen, Briefmarken sammeln und in einen Schachverein gehen. In der Schule gründeten wir 1948 eine Arbeitsgemeinschaft Schach, wo die gesamte Klasse Schach spielte. Ein Matt in drei Zügen war nicht selten. Nur ich und zwei Kameraden gingen später in einen Schachverein, wo wir an Turnieren teilnahmen. Danach spielte ich Bezirks- und Landesmeisterschaften. Im Sommer 1949 vor mehr als 70 Jahren nahm ich an der Ostzonen-Jugendmeisterschaft teil.
In Ihrer Jugend waren Sie ein sehr aktiver und erfolgreicher Turnierspieler. Was würden Sie als Ihren größten Erfolg bezeichnen?
Meine beste Zeit war vor ungefähr 60 Jahren, als ich 1960 Pokalsieger von Hessen, geteilter Erster bei der Hessenmeisterschaft sowie 1964 mit Porz Zweiter bei der Deutschen Mannschaftsmeisterschaft in Solingen wurde. Wenn man meine damalige Wertungszahl nach Elo umrechnet, kommt man auf über 2400.
Ihre Frau Juliane (Wikipedia/Fotos) war ebenfalls eine begeisterte und erfolgreiche Schachspielerin. Können Sie etwas über sie erzählen? Wann haben Sie sich kennengelernt?
Sie hatte einen Studentenschachklub an der Uni Frankfurt gegründet, wo ich sie vor meinem Examen 1955 (als Diplommathematiker) kennenlernte. 1957 heirateten wir. Sie wurde 1959 hinter Frau Rinder Zweite bei der Deutschen Damenmeisterschaft, kurz vor Geburt unserer zweiten Tochter Barbara. Kurz vor ihrem Tod gewann sie 1999 die 1. Europa-Fernschachmeisterschaft der Frauen.
Zusammen haben Sie eine richtige Schachdynastie begründet. Wie viele Kinder haben Sie und welche haben ebenfalls Turnierschach gespielt?
Vier Töchter (Susanne, Barbara, Isabel und Dorothee), die alle irgendwann mal Deutscher Meister waren.
Ihre bekannteste und erfolgreichste Tochter war sicher Barbara Hund, die es bis zum Frauen-Großmeistertitel brachte und an vielen internationalen Turnieren teilnahm. Können Sie etwas über Barbaras Werdegang berichten?
Sie nahm an 15 Schacholympiaden teil und gewann etliche Einzelmedaillen. 1978 gewann sie zusammen mit den deutschen Damen in Buenos Aires die Bronzemedaille.
Aufgrund ihres Erfolges beim Interzonenturnier 1982 in Bad Kissingen wurde sie die erste (Anm. Red.: west-)deutsche Großmeisterin.
Inzwischen ist auch Ihre Enkeltochter Sarah im Schach erfolgreich. Haben Sie ihr auch Unterricht gegeben?
Ja als ich sie behütet habe, während ihre Mutter an einer Schacholympiade teilnahm. Später durfte sie mit zu den Schacholympiaden fahren. Inzwischen spielt sie wesentlich besser als ich.
Ihr Vater war ein bekannter Physiker, Ihre Mutter eine bekannte Mathematikerin. War damit Ihr Weg als Mathematiker vorgezeichnet?
Ja, aber selbst Professorenkinder durften damals (1950 in Jena) nicht studieren. Erst als er den Nationalpreis erhielt, durfte ich ein Studium beginnen. Da mein Vater immer an das Wohl seiner Kinder dachte, folgte er 1951 einem Ruf nach Frankfurt am Main.
Sie waren in führender Position bei Bayer beschäftigt. Blieb da überhaupt noch Zeit fürs Schach?
Wenig. Erst als wir einmal pro Jahr in einen Aktiv-Urlaub mit den Kinder fuhren, wurde es etwas besser. Sie lernten neue Länder und andere Leute kennen. Das erste Mal war Ende 1973 in Berlin, wo wir am Silvestertunier in Berlin teilnahmen, an dem auch IM Lehmann mitspielte.
Als das Internet entstand, wurden Sie zum Pionier der Internet-Berichterstattung und riefen die Seite TeleSchach ins Leben. Diese betreuen Sie heute noch. Haben Sie dabei Hilfe?
Ich betreue sie allein. 25 Jahre Arbeit stecken da drin.
Teile meiner Arbeit | Geschichte von TeleSchach
Das Bildzeichen stellt links meine Frau und unsere 4 Töchter dar, rechts mich.
Ich veranstaltete Schachturniere im Internet, bevor der DSB eigene Webseiten hatte, ChessBase Spielmöglichkeiten im Internet anbot und der BdF Fernturniere per E-Mail zuließ.
Außerdem sind Sie an den Schachseiten der Wikipedia beteiligt. Wie umfangreich ist dort Ihre Mitarbeit?
Seit Ende der 1950er Jahre fotografiere ich viel, unter anderem als Besucher von Schacholympiaden und anderen Schachturnieren, wie die Europamannschaftsmeisterschaft 1961 in Oberhausen. Sämtliche Fotos davon stammen von mir. Mehr als 4000 Fotos stellte ich Wikipedia bzw. Wikimedia zur Verfügung. Hiermit konnten viele Artikel bebildert werden. Etliche Artikel schrieb ich selber, wie zum Beispiel über Seniorenweltmeisterschaften. Im Herbst 1996 war ich der Erste und Einzige weltweit, der über die WM im Internet berichtete (tags spielte ich, abends erschienen die aktuellen Berichte).
Sie haben Überblick über ein halbes Jahrhundert Schachgeschichte. Wie würden Sie die Situation und die Rolle des Schachs heute bewerten, im Vergleich zu früheren Jahren?
Wenn ich 1948 mit heute vergleiche, gibt es große Unterschiede. Direkt nach dem 2. Weltkrieg gab es fast nichts. Nichts zu essen, keine Angebote für Kinder, kein Fernsehen, um nur Einiges zu nennen. Heute ist Schach nur ein Angebot unter sehr vielen anderen Dingen!
Vielen Dank für das Interview!
André Schulz
Einleitungstext: Redaktion
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 10582