20. November 2013
Ein Gespräch mit dem Schach-Journalisten Raymund Stolze anlässlich der Übergabe des wiederhergestellten Grabes von Kurt Richter und der Buchpremiere „Berliner Schachlegenden" von Michael Dombrowsky.
Am 24. November 2013 wird der Öffentlichkeit das wiederhergestellte Grab von Kurt Richter (24.11.1900 bis 29.12.1969) präsentiert. Sie haben sich in dieser Angelegenheit sehr engagiert. Wer war Kurt Richter?
Was seine Person angeht, so hat ihn Michael Dombrowsky in seinem Buch „Berliner Schachlegenden“, das gerade in der Edition Marco erschienen ist, sehr persönlich portraitiert. Er war auf dem Schachbrett ein gefürchteter und romantischer Angriffsspieler, was ihm auch den Namen der „Scharfrichter von Berlin“ einbrachte. Auf dem FIDE-Kongress 1950 wurde Kurt Richter, dessen beste historische Elo-Zahl im Oktober 1942 bei 2652 lag, der Titel Internationaler Meister verliehen. Und gleichermaßen war er ein begnadeter Schachschriftsteller im wahrsten Sinn des Wortes. „Keiner hat es so wie Kurt Richter verstanden, das meistens trockene Schachmaterial in lebendiger, witziger und unterhaltsamer Weise zu erläutern. Und das ist gerade die Art und Weise, wie man unserem geliebten Schachspiel neue Anhänger gewinnen kann“, so Paul Keres im Vorwort zu „Die hohe Schule der Schachkombination“, das allein im Ostberliner Sportverlag fünf Auflagen erlebte und heute leider nur noch antiquarisch zu erwerben ist.
Wie hat Kurt Richter diesen Spagat zwischen Schachprofi und Schachjournalist selbst gesehen?
Ich denke, dass seine folgenden Überlegungen vom 1. Oktober 1960 das sehr gut beschreiben: „Etwas wehmütig ist so ein Rückblick auf vergangene Zeiten; und Paul Keres traf zweifellos den Nagel auf den Kopf, als er 1958 beim Wiedersehen auf der Münchener Schacholympiade zu mir sagte: Nun, wiehert das alte Schlachtross nicht mehr? Zweifellos ist ein Blick hinter die Kulissen einer solchen Riesenveranstaltung (in der Turnierleitung) ganz interessant; dennoch geht nichts über den Kampf am Brett mit all seinen Überraschungen, Aufregungen, Freuden und Leiden.
Nun fragt man sich nach so vielen Jahren, ob man nicht besser getan hätte, mehr Schach zu spielen und weniger über Schach zu schreiben. Denn gerade die schriftstellerische und journalistische Tätigkeit im Schach ist dem Spiel am Brett abträglich. Aber Freude macht das eine wie das andere, und schließlich bereue ich es nicht, dem Schachspiel soviel Zeit geopfert zu haben – zum Ruhm und zur Ehre Caissas.
Wodurch sind Sie auf das Grab aufmerksam geworden?
Anfang des Jahres erhielt ich von Michael Dombrowsky aus Hamburg einen E-Mail, in der anfragte, ob ich ihm nicht u. a. bei der Recherche des Kurt-Richter-Kapitels für sein Buch helfen könnte. Wir hatten uns im Oktober bei der Veranstaltung „Logik trifft Logistik“ rein zufällig getroffen, denn bei der abendlichen Gala im Potsdamer Kaiserbahnhof waren wir am selbenTisch platziert. Ein Argument, ihm zu helfen war, dass ich in der Kindheit und Jugend in Berlin-Karlshorst gelebt hatte, wo auch Kurt Richter seit dem 1. April 1935 seinen Lebensmittelpunkt hatte.
Hinzu kam, dass er mir nicht unbekannt gewesen ist. Mit meinem Schachtrainer Bruno Ullrich blitzte er Anfang der 1960er-Jahre im „Zentralhaus der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft“ Unter den Linden ab und an um eine Flasche Likör Marke Danziger Goldwasser, was mich sehr beeindruckte. An meiner Grundschule war zudem sein Bruder Gerhard als „Schuldiener“ beschäftigt.
Ich habe mich also gefragt: Wo wird denn Kurt Richter beerdigt worden sein und gibt es diese Grabstätte überhaupt noch? Eigentlich musste es der Evangelische Friedhof in Berlin-Karlshorst sein, und so habe ich Kontakt zum Geschäftsführer des Friedhofsverbandes Berlin Süd-Ost (EFBSO) aufgenommen.
Was hat Sie dazu bewegt, das Grab zu retten?
Zunächst eine Gegenfrage: Was hätten Sie in meiner Situation gemacht? Ich kann mich noch sehr gut erinnern, als ich bei der Arbeit an einem Quiz für die DSB-Website im Vorfeld der Schacholympiade 2008 auf Wally Henschel aufmerksam wurde. Sie gewann ja 1930 in Hamburg bei der Frauen-Weltmeisterschaft – diese wurde bis einschließlich 1939 regelmäßig in Turnierform von der FIDE während des Welttreffens der Nationen organisiert – die Bronzemedaille und brachte zudem Vera Menchik die einzige Niederlage bei. Nach der Machtergreifung der Nazis aber tauchten sie und ihre Zwillingsschwester Käthe nicht mehr in der Vereinschronik des Hamburger SK auf, was mich neugierig machte. Meine Vermutung war richtig, denn die beiden waren Töchter aus jüdischer Familie, und nach der schrecklichen Pogromnacht am 9. November 1938 beschlossen sie, in die USA zu emigrieren. Wally und Käthe Henschel hatten Glück, denn sie konnten am 25. März 1939 Nazideutschland verlassen, wobei sie auf abenteuerlichem Wege mehrer Monate brauchten, um über die Niederlande, England, Westindien, Mittelamerika und Haiti nach New York zu kommen. Sechs Tage später wurden ihre Pässe gesperrt. In ihrer Mobiliarliste für die Schiffspassage waren übrigens zwei Schachspiele...
Für mich war nach dem Projekt Wally Henschel, das ich danach noch weiter verfolgt habe, also klar: Hier musst Du aktiv werden – wer denn sonst! Zumal die Zeit drängte. Dass der DSB mich nicht, wie von mir erhofft, unterstützte – er wird dafür seine guten Gründe gehabt haben – hat mich nicht gebremst, die Suche nach dem Kurt-Richter-Grab aufzunehmen und alle finanziellen Vorleistungen zu übernehmen.
Welche Schritte waren dazu nötig?
Ein Glücksfall ist natürlich Bernd Thüring gewesen. Ohne ihn wäre es wesentlich schwieriger geworden und ein Scheitern nicht ausgeschlossen. Der EFBSO-Geschäftsführer hatte bei unserem ersten Telefonat eine schlechte und eine gute Nachricht für mich. Die Grabstätte war nämlich längst aufgelöst, aber da es eine Erdbestattung gewesen ist und Bruder Gerhard nach Ablauf der Liegefrist diese noch einmal um fünf Jahre verlängert hatte, gab es noch keine Neubelegung. Ich habe also in Einvernehmen mit Herrn Thüring die Grabstätte erst einmal bis 4. Januar 2014 angemietet. Dazu kamen eine Neueinfassung, Muttererdenaustausch und eine schlichte Bepflanzung mit Efeu.
Da Kurt Richters Lieblingsfigur der Springer gewesen ist, habe ich beim Schachhaus Mädler in Dresden nachgefragt, ob es nicht möglich wäre, aus gegebenen Anlass einen „Rappen“ in Gartenschachgröße zu spenden. Monika und Manfred waren dazu sofort bereit.
Schließlich kam noch ein Hinweisschild auf der Grabstelle dazu, und nun gibt es sogar eine Text-Bildtafel im Verwaltungsgebäude, wo alle verdienstvollen Karlshorster Bürger vorgestellt werden, die auf diesem Friedhof ihre letzte Ruhestätte haben.
Wie sah die Grabstätte früher aus und wie heute? Wer pflegt sie weiterhin?
Ich habe nur den aufgelösten Zustand gesehen, kann also den ersten Teil Ihrer Frage nicht beantworten. Es gibt meines Wissens auch keine Fotos von der Beerdigung am 5. Januar 1970. Lediglich Zeitzeugen wie u. a. Reinhart Fuchs und Helmut Koch leben noch.
Was die jährlichen Kosten angeht, so fallen für die Grabpflege im Frühjahr und Herbst je 20,80 € an, dazu kommt die ermäßigte Nutzungsrecht an der Grabstelle von 52,00 €, das aber noch bis zum 4. Januar 2014 läuft.
Sind weitere Gräber in Gefahr oder bereits verloren?
Mich hat natürlich interessiert, was aus Kurt Richters vier Mitstreitern von der Schacholympiade 1930 in Hamburg geworden ist, wo das Team hinter Polen und Ungarn Platz 3 belegte. Nun, die Nachricht ist leider wenig erfreulich. Die Grabstätten von Carl Ahues (26. Dezember 1883 bis 31. Dezember 1968), Heinrich Wagner (9. August 1888 bis 24. Juni 1959) jeweils in Hamburg-Ohlsdorf sowie die von Friedrich Sämisch (20. September 1896 bis 16. August 1975) auf dem Zehlendorfer Waldfriedhof sind eingeebnet. Dank der Bremer SG ist aber das Grab von Carl Carls (16. September 1880 bis 11. September 1958) in sehr gutem Zustand, und ich denke, dass das bestimmt so bleiben wird. Und ganz in diesem Sinn verstehe ich auch, dass der Verein nach der Premiere im Januar diesen Jahres auch 2014 die Offene Bremer Senioren-Einzelmeisterschaft als Carl Carls Memorial ausrichten wird.
Meine Nachfragen haben zudem ergeben, dass die Gräber von Siegbert Tarrasch in München und Jefim Bogoljubow in Triberg in sehr gutem Zustand sind.
Sie verwenden den Begriff Schach-Legenden. Was ist nach ihrer Definition darunter zu verstehen?
Ich will es einmal ganz einfach sagen: Allein die bloße Erwähnung des Namens einer Frau oder eines Mannes bzw. Ereignisses, muss bei uns unbewusst sofort etwas auslösen, so wie beispielsweise das „Match des Jahrhunderts“ um die Weltmeisterschaft 1972 in Reykjavik zwischen Boris Spasski und Bobby Fischer. Und natürlich kann man diesen Status auch zu Lebzeiten erreichen. Nehmen Sie nur den inzwischen 78-jährigen Dresdener Großmeister Wolfgang Uhlmann, der u. a. deshalb zur Legende wurde, weil er auf den Doppelschritt des weißen Königsbauern sein ganzen Leben die Französische Verteidigung spielt.
In Dresden gibt es dank des schachbegeisterten Unternehmers Dr. Rainer Maas seit 2012 jährlich ein Schach-Legendentreffen. Da ich mit zu den Ideengebern gehöre, sind für die Teilnahme an dieser weltweit einzigartigen Veranstaltung einige Kriterien zu erfüllen. Dazu gehört ein Mindestalter von 75 Lebensjahren und der Großmeistertitel.
Warum sind Ihnen die Legenden so wichtig?
Ich denke, dass es nicht nur im Sport, und dazu gehört natürlich Schach, wichtig für Nachwuchsspieler ist, echte Vorbilder zu haben, an denen sie sich orientieren können. Ich möchte wirklich nicht provozieren, aber machen Sie einmal bei den Deutschen Jugend-Einzelmeisterschaften eine Umfrage. Ich bin wirklich gespannt auf das Ergebnis! Ein anderer Aspekt ist, dass wir leider den kulturellen und geschichtlichen Aspekt bei der Fragestellung einfach übersehen. Man sagt ja nicht ohne Grund, dass Emanuel Lasker Schachgeschichte geschrieben hat, und natürlich ist die 2009 im Berliner Exzelsior Verlag erschienene großartige Monographie in dieser Hinsicht ein echter Meilenstein. Aber ich bin der Überzeugung, dass in der Chronik des deutschen Schachs noch viele Kapitel oder auch Fußnoten fehlen, die oft mit dem Tod von Zeitzeugen für immer für die Nachwelt verloren sind. Ich könnte mir also sehr wohl eine Arbeitsgruppe Schachhistoriker beim DSB vorstellen. Immerhin gibt es mit dem Jahr 2027 ja einen bedeutsamen Grund dafür, denn da wird der Deutsche Schachbund den 150. Jahrestag seiner Gründung in Leipzig feiern.
Haben Sie genügend Unterstützung?
Es heißt sicherlich richtig, und weckt keine falschen Erwartungen: „Um uns selber müssen wir uns selber kümmern“! Also, ich möchte, was die Grabstätte angeht, nicht Einzelkämpfer bleiben. So habe ich mich beispielsweise an die Abteilung Bildung, Kultur, Soziales und Sport im Bezirksamt Lichtenberg von Berlin mit der Bitte um Unterstützung gewandt. Das wurde sogar Anfang November auf einer Dienstberatung Kultur thematisiert. Der zuständige Referent der Bezirksstadträtin signalisierte mir, dass der Bezirk dem wohl wollend gegenüber steht, „wenngleich gegenwärtig finanzielle Mittel für eine Grabpflege (unabhängig von der vergleichsweise geringen Höhe des Betrages) leider nicht vom Bezirk selbst zur Verfügung gestellt werden können. Das Bezirksamt sucht deshalb nach anderen Wegen einer Unterstützung Ihres Anliegens und wird in diesem Zusammenhang an die in Lichtenberg aktiven Schachvereine herantreten, ob diese sich eine Art Patenschaft vorstellen können“.
Natürlich habe ich auch Carsten Schmidt, den Präsidenten des Berliner Schachverbandes, um Hilfe gebeten. Von ihm kam der Vorschlag, bei den drei großen Berliner Sommerturnieren in Kreuzberg, Lichtenberg und Lichterfelde Spendenboxen aufzustellen. Die möglichen Überschüsse dabei könnten dann für Schönheitspreise im Sinne von Kurt Richter verwendet werden.
Es ist also gewisse Bewegung in das Projekt gekommen, bei dem ich mich selbstverständlich vorerst weiterhin als Ansprechpartner fühle und für jede Hilfe dankbar bin. Per E-Mail kann man jederzeit mit mir in Kontakt treten [raymund.stolze@t-online.de]. So, wie das der in Kanada lebende Schachhistoriker Alan McGowan getan hat. Ich bin auf ihn aufmerksam geworden, weil er in der Juli-Ausgabe 2011 vom SCHACH.MAGAZIN 64 in einer Anzeige für sein Buch über den „berühmten deutschen Schachmeister Kurt Richter“ um Auskünfte zu zwei bei seinen Nachforschungen ungeklärte Fragen gebeten hat. Als ich ihm nun von der Übergabe der wieder eingerichteten Grabstätte berichtete, hat er spontan eine Zahlungsanweisung von 30,00 € auf den Weg gebracht.
Was ist Ihrer Ansicht nach - abgesehen von Grabpflege - an Legenden-Pflege nötig?
Ich denke, dass es schon ein wichtiger Schritt wäre, wenn in unseren Landesverbänden einmal bei einer Präsidiumssitzung darüber nachgedacht wird, entsprechende „Legenden-Listen“ aufzustellen. Wenn dann bei den längst verstorbenen alten Meistern und Meisterinnen keine Grabstätten mehr auffindbar sind, dann könnte man auch über ein Projekt nach dem Beispiel der sogenanten „Stolpersteine“ nachdenken, die von Günter Demnig für diejenigen verlegt werden, die in der Zeit des Nationalsozialismus deportiert und meist ermordet wurden. Die Steine sind mit den jeweiligen Namen versehen und werden vor deren einstigen Wohnungen im Straßen und Gehwegpflaster verlegt. Über „Stolper-Bauern“ könnte man doch zumindest einmal nachdenken.
Aber, wie schon gesagt, es gibt ja zum Glück auch lebende Legenden. Und hier sind für Projekte, die in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, keine Grenzen gesetzt. So gefällt mir beispielsweise die „Berliner Initiative“ „jung gegen alt“. Seit 2002 spielt dabei im Sommer eine Seniorenauswahl der Hauptstadt gegen talentierte Jugendliche einen Wettkampf – in diesem Jahr fand bereits das zehnte Match der Generationen statt.
Und wie wäre es damit, endlich auf nationaler Ebene auch einen jährlichen Wettbewerb einer DSB-Traditions-Mannschaft gegen ein deutsches Nachwuchsteam zu starten? Ein Team mit Wolfgang Uhlmann (310 Länderspiele), Hans-Joachim Hecht (278), Dr. Robert Hübner (248), Klaus Darga (230), Dr. Burkhard Malich (225) und Dr. Helmut Pfleger (169) könnte ganz sicherlich den Auftakt machen, und für die Herren wäre es ganz nebenbei gesagt auch eine echte Würdigung nicht nur ihrer sportlichen Leistungen.
Um schließlich noch einmal auf die Schachspielerin zurück zu kommen, die als erste bei der WM eine Medaille für Deutschland gewonnen hat: Ich würde dem Hamburger SK empfehlen, endlich einmal ein Frauen-Turnier – egal ob Normal-, Rapid- und Blitzschach – zu Ehren von Wally Henschel (8. September 1893 in Hamburg bis 13. Dezember 1988 in Miami/USA) durchzuführen. Das sollte doch wirklich möglich sein – und natürlich muss die Vereinschronik um diese Kapitel ergänzt werden.
Oder weil der Anteil weiblicher Mitglieder im DSB mit gerade einmal sieben Prozent nach wie vor gering ist, wäre es doch denkbar, eine außerordentliche Leistung im Mädchen- und Frauen-Schach mit dem Edith-Keller-Herrmann-Förderpreis auszuzeichnen!
Welche Rolle spielt die Emanuel Lasker Gesellschaft im Rahmen des Kurt-Richter-Projektes?
Ich gebe zu, dass ich die Laskerianer bis vor Kurzem immer nur mit Veranstaltungen dieses Vereines in Zusammenhang gebracht habe, wo es um die Pflege des Erbes unseren einzigen Schachweltmeisters geht, der als einziger Schachspieler in die Deutsche „Hall of Fame“ des Sports am 6. Mai 2008 aufgenommen wurde. Da ich aber an vielen der interessanten Abende in Berlin teilgenommen habe, bin ich nicht zu spät auf den Vereinsvorsitzenden Paul Werner Wagner zugegangen, um die Lasker Gesellschaft in Kooperation mit der Edition Marco und dessen Verleger Fernschachgroßmeister Arno Nickel als Veranstalter für die Buchpremiere „Berliner Schachlegenden“ zu gewinnen. Und das es so problemlos geklappt hat, freut mich ehrlich, zumal wir dann wirklich noch ausgerechnet am 113. Geburtstag von Kurt Richter einen würdigen Rahmen für die Übergabe seiner Grabstätte an die Öffentlichkeit haben.
Anlässlich der Grabeinweihung wird auch ein Buch vorgestellt. Es geht darin um Berliner Schachlegenden. Wie gefällt Ihnen das Buch von Michael Dombrowsky?
Ich kenne bisher nur das Kurt-Richter-Kapitel, das dem Autoren meiner Meinung nach sehr gelungen ist. Aber die Namen der weiter portraitierten Schachmeister wie Klaus Uwe Müller, Dr. Heinz Lehmann, Rudolf Teschner, Klaus Darga, Adolf Delander, Harald Lieb, Wolfram Bialas, Hans-Joachim Hecht und Jürgen Dueball machen schon auf die „Goldenen Berliner Schachzeiten“ neugierig. Mir gefällt vor allem der konzeptionelle Ansatz von Michael Dombrowsky, nur über jene zu schreiben, denen er wirklich persönlich begegnet ist. Damit erklärt sich auch, warum nicht ein einziger Vertreter aus dem Osten Berlins dabei ist, nehmen wir einmal den „Wanderer zwischen den Welten“ Kurt Richter, für den mit dem 13. August 1961 allerdings der Weg in den Westen der deutschen Hauptstadt auch passé war.
Warum sollten Ihrer Ansicht nach auch andere deutsche Städte und Regionen solche Projekte anschieben?
Es gibt sicherlich eine ganz einfache Antwort: Zur Zukunft gehören Vergangenheit und Gegenwart, und da sind noch viele Kapitel und auch Fußnoten in der Chronik des deutschen Schachs offen. Es lohnt sich doch, sich dieser Herausforderung zu stellen. Und gerade mit den Möglichkeiten der neuen Medien.
Ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie meine Tochter Isabel mit einem Mitstudenten unter Federführung von Susanna Poldauf bei der Lasker Gesellschaft aus Anlass des 65-jährigen Erscheinens von Stefan Zweigs „Schachnovelle“ eine virtuelle Ausstellung auf der Webseite präsentierte. Dass sie noch heute zu sehen ist, spricht auch für ihre Qualität und lässt mich intensiv darüber nachdenken, wie auf der DSB-Homepage eine „Hall of Fame“ des Schachs präsentiert werden könnte, wo jene Schachspieler(-innen) als eine besondere Auszeichnung für sportliche Leistungen und ihr Engagement im gesellschaftlichen Leben aufgenommen werden.
Was wäre Ihnen noch wichtig zu sagen?
Mein abschließender Vorschlag: Wie wäre es, wenn der DSB öffentlichkeitswirksame Bemühungen um die deutsche Schachgeschichte mit einem Schach-Kulturpreis ehren würde?!
Zum Thema: Ulmer Schachgeschichte
Michael Woltmann
DSB-Vizepräsident
Raymund Stolze (Jahrgang 1945) hat gleich mit seinem ersten Schachbuch "Umkämpfte Krone – Die Duelle der Schachweltmeister von Steinitz bis Kasparow", das Mitte der 1980er Jahre erschien, einen Bestseller geschrieben, der mehrere Auflagen erlebte. Der studierte Diplomwirtschaftler spielte selbst erfolgreich Schach. So wurde er u. a. 1963 Ostberliner Jugendmeister. Der ehemalige Cheflektor des renommierten Sportverlages Berlin betreut seit 2003 das Schachbuchprogramm der EDITION OLMS. Dort veröffentliche er gemeinsam mit dem Hamburger Großmeister Dr. Karsten Müller "Zaubern wie Schachweltmeister Michail Tal" (2010) und "Kämpfen und Siegen mit Hikaru Nakamura" (2012). Von Juni 2011 bis einschließlich Januar 2012 war er DSB-Referent für Öffentlichkeitsarbeit. Seit August 2012 ist er Autor für die Homepage www.schach-ticker.de, die im gleichen Jahr als „Schachwebseite des Jahres“ in Deutschland ausgezeichnet wurde.
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 9267