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Lasker-Tag: Projekt Strategiespiele in Appenzell (Schweiz)

10. Oktober 2018

Am 1. und 2. Oktober führte André Chapuis einen Schachintensivkurs im Rahmen seiner Projekttage an einer Schule in Appenzell (Schweiz) durch. Zusammen mit zwei weiteren Lehrern bot er eine Woche "Strategiespiele" als Projektthema an. Der Informatiklehrer C. Scheiber behandelte Computerspiele, der Mathematiklehrer G. Favale machte schweizerische Kartenspiele ("Jassen"), Chapuis als Philosophielehrer brachte ihnen Schach bei. Die Lasker-Plakate gaben dabei eine tolle Kulisse ab.

Projektbericht zum Schachintensivkurs (A. Chapuis)

Montagmorgen (01.10.2018): Nach kurzer Einführung in die richtige Ausrichtung des Schachbretts – unten rechts muss jeder Spieler ein weisse Feld vor sich haben – und der Einführung der Koordinaten bestehend aus Linie (a, b, c, d, e, f, g, h) und Reihe (1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8), also zum Beispiel a1, b4, c6, f8, h1 wird bereits das erste Gehirnjogging durchgeführt: Bestimme ohne auf das Schachbrett zu sehen, ob ein gegebenes Feld weiss oder schwarz ist. Da sich die Gedächtnisleistung als bereits beträchtlich erweist ist die nächste Aufgabe: Finde ein System, das das Gedächtnis entlastet und erlaubt, auf die Farbe zu schliessen, statt sich bloss an sie zu erinnern.

Ein mögliches System: nummeriere auch die Buchstaben a, b, c, d, e, f, g, h, als 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8. Die Felder sind dadurch mit zwei gleichen Typen von Zahlen bezeichnet, zwei geraden oder zwei ungeraden, oder sie sind mit zwei ungleichen Typen bezeichnet, gerade und ungerade. Bsp.: a1 = 11 = ungerade/ungerade = gleich, b4 = 24 = gerade/gerade = gleich, c6 = 36 ungerade/gerade = ungleich, h1 = 81 = gerade/ungerade = ungleich. Bei gleichen liegt ein schwarzes Feld vor, bei ungleichen ein weisses. Das Gedächtnis wird folgendermassen entlastet: Wenn mir gesagt wird „g5“ muss ich nur noch überlegen, ist „g“ auch ungerade wie die 5? g ist 7, also liegen gleiche vor, also ist das Feld schwarz. Hier ein Bild zur Überprüfung:

Problemanalysen und eigene Problemlösungsstrategien entwickeln kann im Schach mit sogenannten „Mini-Spielen“ trainiert werden. Um die Gangart der Figuren zu erlernen und sich schon mit diesen wenigen Regeln einem kleinen Turnier auszusetzen, wird die Kreuztabelle eingeführt und zwei Varianten Bauernkloppe werden als «vollrundiges» Turnier (schweizerisch für «Rundenturnier» oder «round robin») in Vierergruppen gespielt.

Gruppe 1: Bauernkloppe ohne König (8 weiße Bauern gegen 8 schwarze)

4 Spieler Wettkampf Kreuztabelle

Weiße Bauern auf der 2. Reihe aufstellen, schwarze auf der 7. Reihe. Gewinner ist, wer einen Bauern zuerst auf die andere Seite bringt (8. Reihe für Weiß, bzw. 1. Reihe für Schwarz).

Die Rangierungen in diesem kurzen Turnier bestimmen die neuen Gruppen, so spielen im Folgenden ähnlich starke Spielpartner miteinander.

Die weiteren Mini-Spiele sind Türme und Dame gegen Läufer, Dame gegen Springer oder Läufer gegen 3 Bauern, sowie eine ganze Reihe weiterer Kombinationen, womit die Schüler testen sollen, ob die Wertangaben zu den Figuren tatsächlich in der Praxis zutreffen, also ist die Dame tatsächlich 9 Bauerneinheiten Wert, der Turm 5, Läufer und Springer je 3? Nach einer kompetitiven Runde, wo es ums Gewinnen geht, folgt jeweils eine kooperative Runde, wo es um die gemeinsame Analyse und Problemlösung geht: z. Bsp., mit welchem System kann die Dame den Springer in möglichst wenigen Zügen fangen?

Gruppe Nr. __: Dame gegen Springer

Gemeinsame Analyse: es geht nicht ums Gewinnen oder Verlieren, sondern um die besten Strategien. Analysiert zusammen mit jedem Gruppenmitglied.

Weiße Dame auf d1. Schwarzer Springer auf e5. Die Dame versucht den Springer zu fangen. Schwarz gewinnt, wenn er 5 Züge (6/7/8/9/12/15 … legt selber was fest) überlebt.

Die am Morgen durchgearbeiteten Inhalte des 63-seitigen Schachdossiers für die zwei Tage Intensivkurs sind folgende:

Inhaltsverzeichnis

I Regeln, Figuren, kleine Spiele, Problemlösen, Analysen

Verhalten beim Schachspielen: der Schachraumvertrag 3
Schachfiguren, Schachbrett, Züge, Schach, Matt, Remis (Mini-Schachlehrbuch) 4
Die Bauern (Mini-Schachlehrbuch) 6
Die Bauernkloppe im Viererwettkampf 7
So ziehen Turm, Läufer und Dame (Mini-Schachlehrbuch) 11
Der Turm mäht Bauern („Pawn Mower“ von Maurice Ashley and Teresa Parr) 12
Der Läufer mäht Bauern („Pawn Mower“ von Maurice Ashley and Teresa Parr) 16
Die Dame mäht Bauern („Pawn Mower“ von Maurice Ashley and Teresa Parr) 20
Dame + 2 Türme gegen Läufer im Viererwettkampf 24
Läufer gegen 3 Bauern im Viererwettkampf 25
So zieht der Springer (Mini-Schachlehrbuch) 26
Der Springer mäht Bauern („Pawn Mower“ von Maurice Ashley and Teresa Parr) 27
Dame gegen Springer im Viererwettkampf 31
Das große Springerfressen (zu zweit) 32
Wert der Steine (Mini-Schachlehrbuch) 33
Mini-Spiele: Dame gegen 8 Bauern / 2 Türme gegen 8 Bauern 34
Kreiere eigene Mini-Spiele (Duelle) 35
Score-Karte für Duelle (W. Rädler-Materialien) 36

Am Montagnachmittag werden die am Morgen erlernten Gangarten zusammengesetzt, um eine reguläre Schachpartie spielen zu können. Die Feinheiten der noch nicht besprochenen Regeln werden behandelt (Rochade, en passant, Schachmatt, Patt) und gewisse allgemeine Richtlinien, goldene Regeln des Schachs, die dem Anfänger helfen. Die Theorie wird gleich umgesetzt, alle spielen mit grosser Begeisterung.

Inhaltsverzeichnis

II Mattbilder, Eröffnungen, Eröffnungsfallen, Endspiel

Mattbilder (Stappenheft 1) 37
Rochade, Eröffnungstipps, vermeidbare Fehler (Mini-Schachlehrbuch) 43
Kurzer Eröffnungsüberblick (W. Rädler-Materialien) 46
Endspiel (Mini-Schachlehrbuch) 54

Der Dienstagvormittag (02.10.2018) ist dem «Spass mit Schach» gewidmet, hauptsächlich geht es um Schachvarianten auf geometrisch anders gestalteten Schachbrettern (kreisförmig, hexagonal, kreuzförmig), die zu zweit, zu dritt oder zu viert gespielt werden können. Auch Kartenschach, Würfelschach und weitere Varianten standen zum Ausprobieren bereit.

Inhaltsverzeichnis

III Schachvarianten / Schach mal anders

Kartenschachregeln (Schach mal anders DSJ) 56
Kartenschach zum selber basteln (Schach mal anders DSJ) 57
Konditions-Blitzen (Schach mal anders DSJ) 61
Tandemschach, Fressschach, Setzschach, Würfelschach (Wikipedia) 62
Zwei-Zug-Schach, Zylinderschach (Wikipedia) / Meine eigenen Schachvarianten 63

Die ungewohnten Varianten bereiteten viel Spass:

Am Dienstagnachmittag fand schliesslich passend zum Emanuel Lasker-Tag (der einzige deutsche Schachweltmeister dessen 150. Geburtstag 2018 gefeiert wird) die Projektwochenmeisterschaft mit Emanuel Lasker-Urkunden für alle Teilnehmer statt, sowie Emanuel Lasker-Gedenkmedaillen für die drei Erstplatzierten. Gespielt wurde das Turnier nach Schweizer System: 6 Runden, Bedenkzeit: 10 Min. pro Spieler. Für die Preise sei der Deutschen Schachjugend gedankt, die die Urkunden und Gedenkmedaillen gesponsert hat, aber auch der Schule, die Foyer-Gutscheine im Wert von 30 Fr. beisteuerte, sowie «Schach-Kugelschreiber» und «Schach-Schlüsselanhänger», sodass kein Teilnehmer leer ausging. Nach dem fröhlich lauten Spiel am Morgen war die ruhige und konzentrierte Turnieratmosphäre am Nachmittag eine wohltuende Abwechslung.

Alle hatten Freude am Spielen nahmen Niederlagen nicht zu ernst und lernten Schach auch von seiner Wettkampfseite kennen. Herausforderungen waren die einzuhaltende Zeit, die mit der Schachuhr limitiert war, aber auch eigentlich gewonnene Partien nicht in ein Patt zu überführen, was einige kennenlernten …

Alle lernten etwas Neues in Bezug auf die Feinwertung im Schach, waren doch Begriffe wie «Buchholz-Punkte» (Summe der Punkte aller Gegner, die man im Turnier hatte) und «Sonneborn-Berger-Wertung» (Summe der Punkte der besiegten Gegner, sowie die halben Punktzahlen der Gegner mit denen Remis gespielt wurde) keinem der Turnierteilnehmer bisher bekannt.

Der Zwei-Tages-Schachintensivkurs war abwechslungsreich und dadurch für die Teilnehmer so kurzweilig, dass zuweilen der Schachlehrer der einzige war, der die Morgen- und Nachmittagspause wahrnahm …

Für das hervorragende Gelingen der ganzen Veranstaltung geht mein Dank nicht nur an die bereits erwähnten Geldgeber und anderen Sponsoren (Gymnasium Appenzell, Accentus Stiftung Zürich, Verband der Deutschen Schachjugend) sondern auch an die Schulschach-Ausbilder Walter Rädler, Vizepräsident des Deutschen Schachbundes, und Boris Bruhn, Ausbilder für das Europäische Schachlehrer-Patent, deren Kurse ich absolvieren durfte und die ihre Materialien allen Teilnehmern grosszügig zur Verfügung stellten. Viele der in meinem Schachintensivkurs verwendeten Materialien sind von den Herren Rädler und Bruhn übernommen oder nur leicht angepasst und abgewandelt.

Der grösste Dank allerdings gebührt den Schülern für ihr Engagement und das tolle Mitmachen. Deshalb an Sophia, Chiara F., Luca, Anton, Chiara H., Dario, Joshua, Raphael, Chantal, Lukas, Lorin, Silvio, Aron, Kimi, Oliver und Urs :

André Chapuis, Appenzell, 02.10.2018

// Archiv: DSB-Nachrichten - Laskerjahr // ID 8692

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