20. März 2019
Ende Mai wird mit dem Meisterschaftsgipfel des Deutschen Schachbundes (DSB) in Magdeburg die alte Tradition der Schachkongresse wiederbelebt. Dies verkündete DSB-Präsident Ullrich Krause am Montag gemeinsam mit Vertretern der Stadt im Rathaus Magdeburg. Der Gipfel vom 25. Mai bis 2. Juni setzt sich zusammen aus den Deutschen Einzelmeisterschaften (Open und Frauen), den Deutschen Blitzmeisterschaften (Open und Frauen), der Deutschen Pokal-Einzelmeisterschaft, den German Masters (Open und Frauen) und der Endrunde der Deutschen Schach-Amateurmeisterschaft (DSAM). Darüberhinaus findet der Bundeskongress des DSB im Rahmen des Gipfels statt. Austragungsort ist die Festung Mark. Durch die Zusammenlegung der verschiedenen Meisterschaften mit dem Kongress soll Schach stärker in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rücken. Mehr als 500 Schachspielerinnen und -spieler werden Ende Mai zum großen Gipfeltreffen des deutschen Schachs in Magdeburg erwartet: Profis treffen an einem Ort auf die besten Amateure und Funktionäre. "Es wird ein richtiges Schachfest", freute sich Krause vor versammelter Presse.
In Magdeburg finden sechs Deutsche Meisterschaften statt. Die Männer und Frauen tragen zum einen ihre Einzelmeisterschaften mit langer Bedenkzeit aus, als auch die Meisterschaften im Blitzschach. Des Weiteren wird der Deutsche Einzel-Pokalmeister gekürt und die Deutschen Schach-Amateurmeisterschaften (DSAM) finden ihren Abschluss mit dem Finale und der Ermittlung der Deutschen Amateurmeister der 7 Wertungsgruppen. In zwei Masters-Turnieren treffen zudem jeweils die besten acht der Frauen und Männer aufeinander.
Der Bundeskongress, der am 1. Juni den Höhepunkt und Abschluss des Meisterschaftsgipfels darstellt, ist die ordentliche Mitgliederversammlung des Deutschen Schachbundes. Er findet alle zwei Jahre an unterschiedlichen Orten statt. Eingeladen dazu werden neben den Vertretern und Referenten des Deutschen Schachbundes, die Ehrenpräsidenten und Ehrenmitglieder des Bundes, sowie die Delegierten der 20 Mitgliedsverbände. Beim Kongress wird unter anderem das Präsidium gewählt und über Anträge entschieden.
Von 1863 bis 1865 entstand in Magdeburg die Defensionskaserne Mark (Defension = Verteidigungsfähiger Kasernenbau). Sie diente als letztes stadtseitiges Hindernis zur Verteidigung derselben, wo bis zu 800 Soldaten untergebracht waren. In den 1920er Jahren hatte hier das Arbeitsamt seinen Platz. Während des Zweiten Weltkrieges war es Herberge für italienische Arbeitskräfte. Nach dem Ende des Krieges zogen Klein- und Handwerkerbetriebe in die noch unzerstörten Gebäude im westlichen Teil. 1987 gab es erste Pläne für eine kulturelle Nutzung. Doch erst ab 2001 konnten diese durch den Verein KulturSzeneMagdeburg umgesetzt werden. 2007 hat die FestungMark Betriebsgesellschaft mbH als Tochterunternehmen des Vereins und der KulturStiftung FestungMark die Bewirtschaftung des Hauses übernommen.
Der DSB hatte auf seinem Hauptausschuss 2017 in Nürnberg auf Initiative von Ullrich Krause und Klaus Deventer eine Neuausrichtung der verschiedenen Deutschen Einzelmeisterschaften beschlossen. Ab 2019 werden die Wettbewerbe zeitgleich an einem Ort zusammengefasst, ähnlich wie dies von 1879 bis 1929* üblich war. Damals waren die Schachkongresse ein sportliches Großereignis, bei dem die besten Spieler gekürt wurden und zugleich die Funktionäre ihre zentralen Sitzungen abhielten. 1927 fand er zum letzten Mal in Magdeburg statt. Damals feierte der DSB in Anwesenheit des einzigen deutschen Schachweltmeisters Emanuel Lasker hier sein 50-jähriges Bestehen.
Am 3. Oktober 1923 hielt der Magdeburger Schachklub seine Generalversammlung ab und faßte darin den Entschluß den Kongress des Deutschen Schachbundes 1927 ausrichten zu wollen. Die Entscheidung dafür war sehr gewagt, grassierte doch seit Beginn des 1. Weltkrieges 1914 eine Geldentwertung, wie es sie noch nie zuvor in Deutschland gab. Bis zum Kriegsende 1918 hatte die Mark schon die Hälfte der Kaufkraft verloren. Doch das war gar nichts zu dem, was noch folgte. "Im Oktober 1921 wies die Mark noch ein Hundertstel ihres Wertes vom August 1914 auf, im Oktober 1922 nur mehr ein Tausendstel." (Quelle: Wikipedia). Das Jahr 1923 bildete den Höhepunkt der Hyperinflation. Frischgedruckte Geldscheine zu 1.000 oder 5.000 Mark mußten nachträglich um jeweils fünf(!) Nullen ergänzt werden. Durch verschiedene Konzepte konnte die Regierung die Abwertung Ende 1923 beenden. Bis 1928 hatte sich die Währung auf dem Wert von 1913 stabilisiert.
Auf dem Kongress des Deutschen Schachbundes im Juli 1925 in Breslau bekam der Magdeburger Klubvorsitzende Dr. Fritz Kiok die Zustimmung zur Ausrichtung des Kongresses 1927. Damit konnte in der Domstadt an der Elbe nicht nur das Jubläum des DSB gefeiert werden, sondern auch der 60. Jahrestag des Magdeburger Schachklubs. Der Veterinärmediziner Kiok, der im DSB Schatzmeister war, hat "mit beharrlicher Energie und diplomatischem Geschick die Finanzierung des Kongresses in die Wege" geleitet. Seine "unermüdlichen persönlichen Bemühungen bei den maßgebenden Behörden, Industriellen und sonstigen Gönnern" führten letztendlich zum Erfolg [Kongressbuch Magdeburg 1927]. So spendete die Stadt Magdeburg ebenso wie der Deutsche Schachbund 3.000 Mark, was einer heutigen Kaufkraft von knapp 13.000 Euro entspricht.
Der Jubiläumskongress vom 17. Juli bis Anfang August 1927 war mit einem internationalen Meisterturnier und mehreren Nebenturnieren verbunden. Vom 25. bis 28. Juli hielt zudem der Saale-Schachbund seinen Kongress ab, wo Kiok Vorsitzender war. Bereits am 16. Juli gab es einen Empfang im Park-Restaurant "Klosterberge-Garten", das auch als Kongress- und Turnierlokal diente. Zu den Rahmenveranstaltungen gehörte am 22. Juli die Aufführung zweier Schach-Opern von Gustav Spalwingk im Wilhelmtheater und am 23. Juli ein Ausflug in das Schachdorf Ströbeck.
Jefim Bogoljubow kündigte mit einer Postkarte an den DSB-Schachwart Hermann Römmig sein Kommen an:
Triberg d. 6. März 1927.
Ich teile Ihnen mit das ich nach Magdeburg zugesagt habe und freue mich Sie und viele andere Freunde dort bestimmt sehen zu können.
Mit besten Grüssen auch an Herrn Schönfeld! Vielleicht kommt er auch dorthin?
E. Bogoljubow
Bogoljubow lieferte im Meisterturnier dem späteren Sieger Rudolf Spielmann einen harten Kampf um Platz eins.
Die Idee einen Schachkongress abzuhalten, geht auf den Westdeutschen Schachbund zurück, der 1861 in Düsseldorf gegründet wurde. Zeitgleich mit der jeweiligen Bundesversammlung wurden ein oder mehrere Schachturniere durchgeführt. Bei diesen Rheinischen Schachkongressen trug sich Max Lange gleich viermal in die Siegerliste ein: 1862 bis 64 und 1868. Adolf Anderssen gewann 1869. Beide Schachmeister trugen wesentlich mit dazu bei, das 1877 der Deutsche Schachbund gegründet wurde und fortan eigene Kongresse abhielt.
Der 26. Bundeskongress 1929 in Duisburg* war zugleich das Ende der Schachkongresse in ihrer bisherigen Form. Der übernächste Kongress 1933 fand bereits unter dem am 13. Dezember 1931 gegründeten, nationalsozialistischen Großdeutschen Schachbund (GDSB) statt. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 wurden die bestehenden Schachorganisationen entweder verboten oder in den GDSB überführt. Darunter auch der Deutsche Schachbund, der damit praktisch aufhörte zu existieren.
Neben den sportlichen Wettkämpfen soll den Teilnehmern ein touristisches Begleitprogramm geboten werden. Bei der Planung und Umsetzung der bevorstehenden Großveranstaltung kooperiert der DSB mit der Landeshauptstadt und der Magdeburg Marketing Kongress und Tourismus GmbH (MMKT).
"Magdeburg ist schon seit längerem eine regelrechte Schachhochburg. Hier fanden viele nationale und internationale Meisterschaften statt. Mit den Schachzwergen Magdeburg, die sich 2009 gründeten, verfügt die Stadt über den zweitgrößten Schachverein Deutschlands. Daher kann es für den Schachkongress 2019 keinen besseren Standort als Magdeburg geben. Wir heißen alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Schachkongress 2019 in Magdeburg herzlich willkommen", sagt Prof. Matthias Puhle, Beigeordneter für Kultur, Schule und Sport.
Übersichtsseite zum Meisterschaftsgipfel
Frank Hoppe/Arne Jachmann
* Peter Anderberg wies uns darauf hin, das der Kongress 1931 in Swinemünde nur ein Turnier um die Meisterschaft von Deutschland war. Der Kongress 1929 war deshalb der letzte seiner Art.
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 9622