3. November 2011
Nach der Silbermedaille beim Mitropapokal Mitte Oktober im französischen Dörfchen Merlimont dürfte Melanie Ohme genug Selbstbewusstsein für die am Donnerstag beginnende Europa-Mannschaftsmeisterschaften in Porto Carras getankt haben. Damit Sie sozusagen Informationen aus erster Hand aus Griechenland bekommen, wird die 21jährige Nummer 3 der deutschen Frauen-Nationalmannschaft für die DSB-Homepage ein EM-Tagebuch schreiben.Und ganz sicher werden die Teilnehmer der deutschen Amateurmeisterschaften auf das sportliche Abschneiden ihrer Patinnen besonders gespannt sein. Bei allen sechs Qualifikationsturnieren und dann beim Finale der inzwischen 22. Auflage dieser größten Breitensport-Veranstaltung im Schach werden Kaderspielerinnen der deutschen Frauennationalmannschaft diese Rolle übernehmen.
Wir haben Melanie, die im Alter von vier Jahren von ihren Eltern das Schachspiel erlernte und mit sieben dann regelmäßig zum Vereinstraining beim SC Leipzig-Gohlis ging, wie den übrigen Patinnen die folgenden Fragen gestellt:
Schach finden Sie gut, weil...
...es für mich nicht nur ein Spiel, sondern vielmehr eine Mischung aus Kunst und Wissenschaft darstellt und zudem keine Partie wie die andere ist. Es sind vor allem die Vielfalt der Stellungsbilder und die hohen geistigen Anforderungen, die mich am Schach reizen.
Was war bisher Ihr sportlich größter Erfolg auf den 64 Feldern und welche Partie war die beste?
Mein größter Erfolg war wahrscheinlich der fünfte Platz bei der Jugend-WM 2004 in Griechenland. Und über meinen Sieg gegen Großmeister Alexander Graf bin ich auch stolz.
Allerdings kann ich keine meiner Partien derart über die anderen heben, dass ich sie als die beste Partie bezeichnen würde. Leider kann ich auch nicht von mir behaupten, dass ich schon mal eine buchtaugliche Partie gespielt hätte ... aber ich arbeite daran J
Welche halten Sie für die beste und welche für die schädlichste Entwicklung im Schach?
Die schädlichste Entwicklung ist für mich ohne Zweifel der wachsende Einfluss von Computern auf das Schachspiel. Es passiert heutzutage so oft, dass Partien einfach aus der Vorbereitung heraus gewonnen werden und somit gar nicht mehr das Spiel an sich, sondern vielmehr die Analysen vorab im Vordergrund stehen. Dies ist natürlich nicht nur der Benutzung von Computerprogrammen zu verdanken. Die immer besser werdenden Engines unterstützen diese Entwicklung aber essentiell und tragen so zu einer Art Ausanalysierung des Schachs bei. Außerdem werden Houdini und Co. auch immer öfter zur Partieanalyse zu Rate gezogen. Das kann natürlich gerade im Hinblick auf taktische Abwicklungen durchaus nützlich sein und sollte auch nicht gänzlich vernachlässigt werden. Leider führt es aber auch dazu, dass man viel zu schnell der Meinung der Programme vertraut und sich oft selber keine Gedanken über alternative Partiefortsetzungen macht.
Als positive Entwicklung ist meiner Meinung nach das Bemühen um eine gute Präsentation des Schachsports zu sehen. Damit meine ich nicht, dass das Schachspiel an sich an die Bedürfnisse des allgemeinen Publikums angepasst wird, sondern dass das Image dieses Spiels in den letzten Jahren deutlich aufgewertet wurde. Immer häufiger findet man heutzutage Schachunterricht an Schulen (teilweise sogar als Pflichtfach) und auch in der Werbung wird Schach oft als Symbol für strategische Brillanz und vorausschauendes Denken verwendet.
Welche Vorurteile über das Frauenschach ärgern Sie und wie reagieren Sie darauf?
Es ärgert mich, dass das Frauenschach generell als wenig hochwertig betrachtet wird. Es mag stimmen, dass es eine gewisse Leistungsdifferenz zwischen den Geschlechtern gibt, aber das heißt noch lange nicht, dass Frauen nicht auch in der Lage sind, gute und spannende Partien zu spielen. Dieses Vorurteil führt leider dazu, dass Frauenturniere zumindest in Deutschland generell weniger attraktiv als Männerturniere gestaltet werden - sei es beim Preisgeld oder auch einfach nur hinsichtlich der Berichterstattung, die meist sehr mangelhaft ausfällt. Als Aktivensprecherin versuche ich zumindest im Leistungssport dieser Entwicklung entgegen zu wirken und mich für eine Gleichberechtigung der Frauen einzusetzen.
Was fällt Ihnen spontan über Ihre Mitstreiterinnen oder auch Konkurrentinnen in der Frauen-Nationalmannschaft ein und wie würden Sie das Klima innerhalb des Team beschreiben?
Ich bin seit 2007 in der Nationalmannschaft und muss sagen, dass sich seitdem das Klima merklich über die Jahre hinweg gebessert hat. Mit meinen Teamkolleginnen Elisabeth Pähtz, Marta Michna, Elena Levushkina und Sarah Hoolt, die mit zur EM fahren, verstehe ich mich sehr gut. Ich bin daher zuversichtlich, dass wir das anstehende Turnier als Mannschaft gemeinsam gut meistern werden.
Welche Rolle spielt für Sie der Teamcoach?
Ich glaube bei den Frauen hat der Teamcoach noch mal eine ganz andere Bedeutung als bei den Männern. Er ist nicht nur für die schachliche Vor- und Nachbereitung, sondern vor allem auch für das mentale Wohl der Teammitglieder zuständig. Damit sind zum Beispiel tröstende Worte nach einer Niederlage oder auch Schlichtungsbemühungen bei Streitigkeiten innerhalb des Teams gemeint. Dass es sich dabei um keine einfache Aufgabe handelt steht außer Frage und ist wahrscheinlich auch der Grund, warum der Job in den letzten Jahren nicht gerade zu den beliebtesten zählte. Aber ich glaube, Raj Tischbierek wird dieser Rolle schon ganz gut gerecht werden....
Im kommenden Jahr findet in Istanbul wieder eine Schacholympiade statt. Was bedeutet es Ihnen, dort mit dem deutschen Team zu spielen?
Ich habe bisher an zwei Olympiaden in Dresden 2008 und Chanty Mansijsk 20010 teilgenommen. Beide Male war ich von der Vielfalt der aufeinandertreffenden Kulturen und der Größe dieses Events begeistert. Ich denke, dass man durchaus von einem schachlichen Höhepunkt sprechen kann, an dem wohl jeder einmal teilnehmen würde. Deshalb möchte auch ich gern Mitglied des Teams sein, dass Deutschland 2012 bei der Schacholympiade in Istanbul vertreten wird.
Mit welchem Slogan würden Sie für das deutsche Frauen-Team werben?
Frauenschach - Schach von seiner schönsten Seite!
ZUR PERSON:
Melanie Ohme wurde am 23. Juni 1990 in Leipzig geboren und studiert derzeit in Mannheim Psychologie. Mit zehn Jahren wurde sie in den Bundeskader aufgenommen. In der Nationalmannschaft kam die Internationale Frauenmeisterin - der Titel wurde ihr 2009 verliehen - bisher 66 Mal zum Einsatz. Seit der Saison 2011/12 ist die mehrfache deutsche Jugendmeisterin Mitglied beim Frauen-Bundesliga-Neuling Schachfreunde Friedberg, wo sie am ersten Brett gemeldet ist. In ihrer Freizeit spielt Melanie Geige, geht gern tanzen, liest und holt sich die nötige Kondition fürs Schach beim Joggen.
Mehr Infos finden Sie auf zu Melanies Homepage www.melanie-ohme.de.
Dort hat die angehende Psychologin auch einen Link "Meine besten Partien", wobei sie u.a. ihren Sieg gegen die amtierende litauische Frauen-Europameisterin Viktorija Cmilyte vom OSG Baden-Baden aus der letzten Runde der Frauen-Bundesliga-Saison 2010/11 kommentiert. Es war zugleich Melanie Ohmes vorerst letzte Partie für ihren Heimatverein SC Leipzig-Gohlis.
Melanie Ohme wird unterstützt von:
In der Serie Patinnen ist bisher erschienen:
Ketino Kachiani-Gersinska [17.10.2011]
P.S.: Die Auslosung der ersten Runde hat übrigens ergeben, dass die Frauen gegen Österreich und die Männer gegen Montenegro spielen. Die Frauen treten in der Startaufstellung entsprechend ihrer Elozahlen an, wobei Elena Levushkina aussetzen wird. Bei den Männern hat Bundestrainer Uwe Bönsch Daniel Fridman, der auf Grund einer Erkältung pausiert, und Georg Meier die Bretter tauschen lassen.
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 8470