24. November 2011
Auf die 5.500-Einwohner-Gemeinde Sontheim an der Brenz im Schwabenland schaut am kommenden Sonnabend die ganze Schachwelt. Der Günzburger FIDE-Meister Marc Lang wird versuchen den Blindsimultan-Weltrekord zu brechen, den der polnisch-argentinische Großmeister Miguel Najdorf (1910 - 1997) seit 1947 hält. Damals trat Najdorf gegen 45 Gegner an. Lang will genau einen Kontrahenten mehr am Brett haben.
Die ganze Veranstaltung wird durch die anwesende Presse und Schiedsrichter ausführlich dokumentiert, so daß der Anerkennung eines neuen Weltrekordes - durch wen auch immer - nichts im Wege steht. Vorausgesetzt Marc Lang schafft mehr als 50 Prozent der Punkte und - das János Flesch nichts dagegen hat. Der Ungar hat nämlich schon 1960 und 1970 weitaus mehr Blindpartien simultan gespielt - erst 52 und dann sogar 60 (bzw. 62)! Augenzeugen bescheinigten diesen Rekorden aber wenig Seriösität und Flesch veröffentlichte auch nur insgesamt fünf Partien. Licht ins Dunkel dieser Veranstaltungen wird wohl nicht mehr kommen: Flesch, der 1980 den GM-Titel erhielt, starb 1983 im Alter von 50 Jahren bei einem Verkehrsunfall in England.
So gesehen hat Marc Lang also noch etwas vor sich. Vorerst bleibt er bescheiden und möchte nur den Rekord von Najdorf attackieren. Die Vorbereitungen dafür laufen auf Hochtouren. In der Gemeindehalle (eigentlich mehr eine Sporthalle) bohrten und hämmerten heute die Schachspieler des ortsansässigen Schachvereins. Die Ehegattinen und Freundinnen wurden derweil künstlerisch tätig und fertigten große Papp-Schachfiguren an, die ein schachunkundiger Gast als "Bäume" bezeichnete.
Damit der "Blindsimulant" am Sonnabend auch wirklich nicht nur simuliert, sondern ernsthaft was zu tun bekommt, wurde beim Aufbau des Spielareals nichts dem Zufall überlassen. Seine 46 Gegner werden hinter einem rechteckig angeordneten Holzverschlag sitzen. Dadurch sind die Bretter von einem eigens für Lang abgesperrten Innenbereich nicht einsehbar. Ich habe es selbst getestet und konnte die Tische hinter der Balustrade nicht sehen - und das obwohl ich über zwei Meter groß bin.
Damit Lang auch mal für "kleine Jungs" gehen kann, ist die Seite des Areals vor der Bühne offen. Damit er dabei nicht auf die Bretter sehen kann, wird noch eine zusätzliche, zwei Meter hohe Holzwand montiert.
Während die Gemeindehalle morgen noch auf Vordermann gebracht wird, tritt im Nebengebäude GM Vlastimil Hort um 17 Uhr zu einem "normalen" Simultan gegen 46 Gegner an. Dabei könnte es Hort durchaus mit dem deutlich jüngeren Lang aufnehmen und auch eine Blindsimultan-Vorstellung geben. Damit etwas Spannung in die Sache kommt, könnten ja die 46 Gegner mal ohne Ansicht des Brettes spielen - und Hort sieht dafür alle Bretter. Das wäre dann mal ein etwas anderer Weltrekordversuch...
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 133