22. Oktober 2018
Wir möchten uns heute zu den Themen DSAM (Deutsche Schach-Amateurmeisterschaft), DSEM (Deutsche Senioren-Einzelmeisterschaft) und zum Meisterschaftsgipfel äußern.
Bisher haben wir uns bei Äußerungen in der Öffentlichkeit äußerste Zurückhaltung auferlegt. Unter dem Eindruck einer aggressiven Gegenkampagne, die mit Mitteln der Desinformation sowie mit Halbwahrheiten und Unwahrheiten arbeitet, sind wir zum Ergebnis gekommen, dass diese Strategie nicht länger sachgerecht ist. Dabei geht es nicht nur um die Aufarbeitung der Vergangenheit, sondern auch um die zukünftige Ausgestaltung dieser wichtigen Meisterschaften. Uns ist bewusst, dass wir nicht alle erreichen und in den einschlägigen Blogs und per Mail vermutlich auch neue Kritik erfahren werden. Der großen Mehrzahl der Schachfreunde wollen wir aber anhand der uns vorliegenden Informationen die Möglichkeit geben, zwischen richtig und falsch zu unterscheiden. Wir sind damit einverstanden, wenn dieser Text auch auf anderen Webseiten oder in Schachzeitschriften mit der entsprechenden Quellenangabe veröffentlicht wird.
Am 30.April 2018 gab es im Rahmen der Bundesliga-Endrunde in Berlin eine Besprechung zum Thema DSAM, an der der Geschäftsführer des DSB Dr. Marcus Fenner, der DSAM-Beauftragte Dr. Dirk Jordan, der DSB-Präsident Ullrich Krause und der Breitenschach-Referent Hugo Schulz teilnahmen. Dabei wurden etliche Fragen rund um die DSAM erörtert, unter anderem zu den Themen Verzehrgutscheine, Hotelgutscheine und der Größe des DSAM-Teams. Die finanzielle Ausgestaltung der DSAM (Zimmerpreise, Abrechnungen) wurde ebenfalls besprochen. Die Antworten des DSAM-Beauftragten waren in Teilen nach Einschätzung von Herrn Krause und Herrn Dr. Fenner wenig überzeugend. Dies führte in den Wochen danach zu mehreren Telefon-Konferenzen innerhalb des Präsidiums. Dabei kristallisierte sich immer mehr heraus, dass gewichtige Indizien die Schlussfolgerung nahelegten, dass es Geldflüsse gegeben haben musste, die uns bisher nicht bekannt waren. Ein Vertrauensverhältnis zum DSAM-Beauftragten war bereits dadurch nicht mehr vorhanden. Ende Mai 2018 hat das Präsidium des DSB deshalb beschlossen, sich von Dr. Dirk Jordan zu trennen. Diese Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen, aber in Anbetracht der vorliegenden Daten und Dokumente mussten wir handeln, um weiteren Schaden vom DSB abzuwenden.
Nach dem Finale der DSAM-Serie 2017-18 in Leipzig fand am Sonntag, den 3.Juni, ein Gespräch der Präsidiumsmitglieder Ullrich Krause, Klaus Deventer und Dr. Marcus Fenner mit Dr. Jordan statt. Wir haben Dr. Jordan unsere Entscheidung mitgeteilt und ihn nach Nebenabreden mit den Ausrichter-Hotels (zuletzt die H-Hotel-Gruppe) gefragt, was von ihm vehement bestritten wurde. Da uns zu diesem Zeitpunkt nur gewichtige Indizien, aber keine Beweismittel für den Umstand vorlagen, dass Dr. Jordan in Bezug auf Nebenabreden die Unwahrheit gesagt haben könnte, haben wir uns – auch zum Schutz von Dr. Jordan – im Einvernehmen mit ihm auf eine neutrale Mitteilung auf unserer Webseite geeinigt.
In den Wochen nach dem Treffen in Leipzig erhielten wir von mehreren Hotels Dokumente, die eindeutig Nebenabreden belegen, die Dr. Jordan mit den Hotels geschlossen hat, ohne dass er diese dem Präsidium des Deutschen Schachbundes gegenüber offengelegt hätte. Es wurde für jede Übernachtung, die im Zusammenhang mit der DSAM gebucht wurde, ein Betrag von 5 Euro auf das Konto eines angeblich gemeinnützigen Vereins überwiesen, dem Dr. Jordan vorsteht. Dieser Verein ist bisher unseres Erachtens mit keinen schachlichen Aktivitäten öffentlich in Erscheinung getreten. Dennoch haben wir Hinweise, dass von dort Geld abgeflossen ist. Für die Jahre 2015-2018 hat uns Dr. Jordan mittlerweile Auskunft in Bezug auf die zugeflossenen Summen erteilt. In der Summe ergibt sich für diesen Zeitraum ein hoher fünfstelliger Betrag. Wir haben nachfolgend mehrfach vollständige Auskunft für den gesamten Zeitraum der DSAM (2001-2018) von Dr. Jordan verlangt, diese aber bisher nicht erhalten.
Wir wissen aber, dass es auch vor dem Jahr 2015 entsprechende Geldflüsse gegeben hat. Insgesamt dürfte es sich schätzungsweise um einen deutlich sechsstelligen Betrag, den Dr. Jordan im Verlauf von 17 Jahren im Rahmen seiner Tätigkeit für mehrere von ihm beherrschte Vereine ohne Information des DSB abgezweigt hat, handeln. Man kann hier nicht von einem „Kavaliersdelikt“ sprechen, das mit einer einfachen Entschuldigung aus der Welt geschaffen werden könnte.
Als Gegenargument beruft sich Dr. Jordan darauf, dass die Ausrichtung der DSAM so zeitintensiv sei, dass nicht ernsthaft erwartet werden könne, dass dies unentgeltlich geschehe. Dazu ist zunächst zu sagen, dass er in seinen öffentlichen Äußerungen zur DSAM stets die Ehrenamtlichkeit seiner Leistungen und die des „Teams“ herausstrich. Außerdem gibt es zahlreiche andere Funktionsträger im DSB, die ebenfalls in erheblichem Umfang ihre Arbeitskraft und Freizeit opfern, ohne darüber nachzudenken, wie sich dies versilbern ließe. Jedenfalls rechtfertigt der möglicherweise überdurchschnittliche Einsatz es nicht, an den Gremien und Funktionsträgern des DSB vorbei Fakten zu schaffen.
Ein weiteres Gegenargument besagt, das DSB-Präsidium habe alles gewusst und gebilligt. Irgendwie habe man halt vergessen, den neuen Präsidenten einzuweihen. Zum Beleg wird ein altes Interview aus dem Jahr 2003, das der DSJ-Geschäftsführer Jörg Schulz (damals im Orga-Team) mit einer Hoteldirektorin geführt hat, präsentiert. Da ist aber lediglich in allgemeiner Form von den Leistungen, die das Hotel so bietet, die Rede. Wer es nachlesen möchte: https://www.dsam-cup.de/2003_2004/bruehl/
Wir haben alle ehemaligen Funktionsträger, die in der Vergangenheit mit der DSAM zu tun hatten, befragt. Ergebnis: Niemand wusste von den Nebenabreden. Uns wurde stattdessen von mehreren Personen berichtet, sie hätten Dr. Jordan direkt darauf angesprochen, ob er mit der DSAM Geld verdiene. Dies wurde von ihm in jedem dieser Gespräche bestritten.
Der Hotelvertrag zur DSEM 2018 in Hamburg-Bergedorf, die auch in einem H-Hotel stattfand, wurde von Dr. Jordan für den DSB abgeschlossen. Die Gründe für diese Beauftragung von Dr. Jordan durch den Senioren-Referenten Gerhard Meiwald sind uns nicht bekannt. Bei diesem Vertrag gab es ebenfalls eine Nebenabrede, dieses Mal in Höhe von 12% der Übernachtungskosten. In Summe handelte es sich um einen Betrag von etwa 12.000 Euro. Da wir diese Nebenabrede vor dem Ende des Turniers aufgedeckt hatten, war es möglich, die Auszahlung zu verhindern. Das Hotel erklärte sich bereit, das Geld stattdessen an den DSB zu überweisen. Am 28.Juli hat der DSB-Präsident Ullrich Krause vor der achten Runde ein Grußwort gesprochen und dabei die Nebenabrede offen gelegt. Die Teilnehmer hatten die Wahl, sich den Betrag (also die 12% ihrer Übernachtungskosten) überweisen zu lassen oder das Geld dem Förderkreis der Senioren zu spenden. Dieser Prozess ist inzwischen abgeschlossen, und mehr als 90% der Spieler und Spielerinnen haben sich für die Erstattung entschieden und gegen die Spende.
Da Dr. Jordan im Auftrag des DSB gehandelt hat, stehen nach gesetzlichem Auftragsrecht alle Erträge, die aus dieser Beauftragung erwirtschaftet werden, dem Auftraggeber zu (§ 667 BGB). Daneben kommen auch Schadensersatzansprüche in Betracht. Wir haben mittlerweile eine Anwaltskanzlei beauftragt, unsere Ansprüche durchzusetzen. Viele Schachfreunde haben uns – sicherlich in guter Absicht – aufgefordert, uns doch irgendwie mit Dr. Jordan zu einigen, zumal dieser stets betone, er sei dazu bereit. Wir bezweifeln, dass diese Bereitschaft ernsthaft vorhanden ist. Dessen ungeachtet erfordert unsere Stellung als gesetzlicher Vertreter des DSB zunächst eine vollständige Aufklärung nach Grund und Höhe von Ansprüchen, die dem DSB zustehen. Andernfalls verletzten wir als Vertreter unsere Vermögensbetreuungspflicht zugunsten des DSB. Ob nach einer vollständigen Aufklärung womöglich Raum für eine vernünftige Einigung bestünde, ist eine Frage, die sich heute nicht stellt.
Uns haben diverse Nachrichten von Teilnehmern an der Sitzung der Seniorenkommission am 13.September in Templin erreicht, denen wir entnehmen konnten, dass Gerhard Meiwald während der Sitzung Mitglieder des DSB-Präsidiums scharf kritisiert habe und dies wohl in einer persönlichen und unangemessenen Art und Weise. Er hat dies in einigen Mails wiederholt und uns explizit zum Rücktritt aufgefordert. Dabei ging es auch um eine Personalentscheidung in der Geschäftsstelle, die von Gerhard Meiwald nach unserer Einschätzung unzutreffend dargestellt wird.
Auf dieser Sitzung wurde auch ein Antrag gestellt, die DSEM 2019 in Radebeul durch den Verein Schachfestival Dresden e.V. auszurichten. Es handelt sich dabei um einen Verein, dem Dr. Jordan als Präsident vorsteht. Der Antrag wurde einstimmig angenommen. Der zuständige Vizepräsident Klaus Deventer hat dagegen nach § 40 Absatz 3 unserer Satzung Veto eingelegt, weil der Vergabe dringende Verbandsinteressen entgegenstehen. Gerhard Meiwald hat gegen dieses Veto Widerspruch beim Präsidium eingelegt, den dieses in seiner Sitzung am 13./14.Oktober in Kassel zurückgewiesen hat. Wichtig ist an dieser Stelle der Hinweis, dass es dabei nicht um die Ausrichtung der Meisterschaft in Radebeul geht, sondern ausschließlich um die nicht mehr erwünschte Zusammenarbeit mit dem Verein Schachfestival Dresden bzw. mit seinem Präsidenten Dr. Jordan. Da es natürlich nicht im Interesse des Präsidiums ist, die DSEM 2019 ausfallen zu lassen, arbeiten wir gemeinsam mit der Seniorenkommission an einer Lösung.
Wir hatten ursprünglich geplant, weiter mit den H-Hotels zusammenzuarbeiten, allerdings mit geänderten Verträgen. Die ersten Gespräche verliefen erfolgversprechend, aber dann wurde uns von mehreren H-Hotels nahezu zeitgleich signalisiert, dass eine Zusammenarbeit mit dem Deutschen Schachbund nicht mehr erwünscht sei oder dass mündlich schon erzielte Übereinkommen doch nicht umsetzbar seien. Die Gründe dafür sind uns nicht bekannt. Wir haben belastbare Anhaltspunkte, dass Dr. Jordan kurz zuvor Kontakt mit mehreren H-Hotels hatte.
Danach hatte der DSB-Geschäftsführer Dr. Fenner nur wenige Wochen Zeit, neue Hotels für die bereits feststehenden Termine zu finden und die entsprechenden Verträge abzuschließen. Ein Aussetzen der DSAM für ein Jahr erschien uns nicht sinnvoll. Die Orte für die ersten sechs Turniere und die Ausschreibung sind inzwischen bekanntgegeben worden, und die Details zum ersten Turnier wurden auch veröffentlicht. Die geografische Verteilung ist aufgrund der beschriebenen Zeitknappheit nicht optimal und wird im kommenden Jahr verbessert werden. Dafür bietet die Ausschreibung diverse Verbesserungen zu den Vorjahren, die bei den Teilnehmern hoffentlich auf Zuspruch stoßen werden. Das siebente Turnier wird voraussichtlich in den Februar verschoben, der Grund dafür ergibt sich aus dem nächsten Absatz. Als Austragungsort für die siebente Vorrunde haben wir Hamburg ins Auge gefasst.
Der Meisterschaftsgipfel sollte in den Jahren 2019-2021 bekanntlich in Radebeul stattfinden. Ein Vertrag ist aus unserer Sicht noch nicht zustande gekommen und wir haben dem Verein Schachfestival Dresden e.V. zwischenzeitlich mitgeteilt, dass wir anderweitig planen. Dies wurde vom Verein Schachfestival Dresden bisher nicht akzeptiert. Ob es hier zu einem Rechtsstreit kommt, wird sich zeigen. Die Entscheidung war aber unvermeidlich: Das Vertrauensverhältnis zwischen dem DSB und Dr. Jordan ist nachhaltig zerrüttet und eine weitere Zusammenarbeit kommt deshalb nicht mehr in Frage. Wir sind kurz davor, die Verträge mit einem neuen Ausrichter zu unterschreiben: Der Meisterschaftsgipfel 2019 wird voraussichtlich vom 25.Mai bis zum 1.Juni 2019 in Magdeburg stattfinden. Als Erweiterung zum ursprünglichen Konzept wird dort auch die Endrunde der DSAM stattfinden, so dass wir insgesamt mehr als 500 Schachspieler an einem Ort versammeln werden. Die siebente DSAM-Vorrunde muss deshalb früher stattfinden als ursprünglich geplant. Der Kongress des Deutschen Schachbundes wird wie geplant in den Gipfel eingebettet und auf den 1.Juni 2019 terminiert.
Es gab in den letzten Monaten viele Kommentare im Internet und wir haben auch etliche E-Mails und Briefe erhalten, von denen nicht alle in einem freundlichen Ton geschrieben waren. Uns war vollkommen klar, dass die Trennung von Dr. Jordan eine entsprechende öffentliche Diskussion und Anfeindungen nach sich ziehen würde. Aufgrund der Sachlage hatten wir allerdings keine andere Wahl, denn zu den Hauptaufgaben des DSB-Präsidiums gehört es, Schaden vom DSB abzuwenden. Insbesondere sind wir gezwungen, auf entsprechende belastende Dokumente und Beweise zu reagieren.
Die Situation im Senioren-Referat wird ebenfalls zu klären sein. Dies erfolgt allerdings zunächst verbandsintern.
Das DSB-Präsidium wurde in den letzten Monaten häufiger kritisiert für seine Informationspolitik. Die ursprüngliche Entscheidung für eine zumindest nach außen hin gütliche Trennung von Dr. Jordan war dabei für einige Schachfreunde ebenso falsch wie die danach erfolgte öffentliche Bekanntgabe der Nebenabrede in Bergedorf für andere. Wir hatten bei unseren Entscheidungen unter Berücksichtigung des jeweiligen Stands der Sachverhaltskenntnis das Wohl des DSB zu wahren und den Persönlichkeitsrechten von Dr. Jordan Rechnung zu tragen. Vermutlich gibt es kein „richtig“ und kein „falsch“, aber rückblickend betrachtet, wäre eine offensivere Öffentlichkeitsarbeit möglicherweise die bessere Strategie gewesen. Man darf auch nicht vergessen, dass eine solche Krisensituation wohl einmalig ist – zumindest wäre das unser persönlicher Wunsch.
Wir erhoffen uns von dieser Mitteilung, dass wir viele Unklarheiten beseitigt haben. Falls es noch offene Fragen gibt, behalten wir uns vor, ergänzend Stellung zu beziehen, allerdings mit der Einschränkung, dass der konkrete Stand der juristischen Auseinandersetzung davon ausgenommen ist.
Ullrich Krause
Präsident des Deutschen Schachbundes
Klaus Deventer
Stellvertreter des Präsidenten
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 23276