Das war ein echter Paukenschlag beim Kongress des Deutschen Schachbundes in Mainz. Günther Müller, Präsident des Schachbundes Rheinland-Pfalz, und sein Team hatten hervorragende Organisationsarbeit geleistet. So gut, dass DSB-Geschäftsführer Horst Metzing später schreiben sollte, er habe in seiner fast 30-jährigen Geschäftsführertätigkeit noch nie einen Kongress erlebt, der so gut organisiert gewesen sei und bei dem wirklich alles bis aufs Kleinste gestimmt habe.
Und dann die Überraschung: Einstimmig verlieh der Kongress Günther Müller die Ehrenmitgliedschaft.
Warum ist dies einzigartig? Noch niemals in der Geschichte des DSB wurde einem Präsidenten eines Landesverbandes diese Ehrung zuteil. DSB-Präsident Alfred Schlya hob in seiner Laudatio die Verdienste von Günther Müller für den Deutschen Schachbund hervor: Günther Müller hat das Gremium der Präsidenten der Landesverbände zu einem wichtigen Beratungsorgan im DSB formiert und war seit dessen Bildung Vorsitzender und Sprecher der "Landesfürsten".
Logik und Argumentation von Günther Müller war genauso einfach wie bestechend: Wenn Träger des Deutschen Schachbundes die Landesverbände sind, dann haben auch deren gewählte Präsidenten besondere Verantwortung nicht nur für ihre Landesverbände, sondern auch für den DSB. Dieser Verantwortung können die Präsidenten der Landesverbände nur gerecht werden, wenn sie schon im Vorfeld in die Entscheidungsprozesse auf DSB-Ebene eingreifen.
Dies war oft lästig, aber auch oft hilfreich. Manche zukunftsweisende Entscheidungen im Deutschen Schachbund wären nicht möglich gewesen, ohne vorherige Weichenstellung im Arbeitskreis der Landespräsidenten. Günther Müllers Verdienst war es, dieses Gremium erfolgreich zu moderieren und die verschiedenen Interessen in den Landesverbänden zu bündeln und zu koordinieren. Mancher Kompromiss ist Verdienst seines Verhandlungsgeschicks und seines guten persönlichen Verhältnisses zu jedem einzelnen Präsidenten. Manches konnte er unter vier Augen ausräumen und in vielen heiklen Situationen, wo Entscheidungen auf der Kippe standen, konnte er vermitteln, ein Scheitern verhindern und den Kompromiss herbeiführen.
Das brachte Günther Müller nicht nur Dank, sondern auch Kritik. Stand er für Grundsätze fest ein, oder opferte er sie für Kompromisse? Was war Taktieren, was Überzeugung? Was war "Gemauschel" in kleinem Kreis und was offene Diskussion und transparente Willensbildung? Wurden nicht die Rechte der Delegierten unterlaufen? Erst in der Zeit nach Günther Müller wird eine abschließende Bewertung möglich sein.
Die Delegierten des DSB Kongresses in Mainz waren sich aber einstimmig einig: Günther Müller ist verdientes und würdiges Ehrenmitglied des Deutschen Schachbundes.
Die anwesenden Vertreter des Schachbundes Rheinland-Pfalz waren tief beeindruckt über die Wertschätzung, die Günther Müller seitens des DSB dargebracht wurde. In einer eigenen Zeremonie teilten sie ihre Freude über diese Ehrung mit Günther Müller. Auch das hatte es in der Geschichte des DSB noch nie gegeben: Ein Landesverband gratuliert auf dem DSB-Kongress seinem geehrten Präsidenten. Moderiert von Ernst Bedau stellten sich zum Spalier auf: Reinhold Kasper, langjähriger Weggefährte, Spielleiter Schachbund Rheinland-Pfalz und jetzt DSB-Bundesturnierdirektor, Dr. Theo Monshausen, früherer Vorsitzender des Schachverbandes Rheinland und Vizepräsident Schachbund Rheinland-Pfalz, ein kritischer und loyaler Freund, Gerd Schowalter, ein zuverlässiger Mitbegründer des Schachbundes Rheinland-Pfalz, Erich Siebenhaar, Wolfgang Spitz, Roland Pokorny, Fred Theiss und Klaus Zachmann, jetzige Präsidiumsmitglieder im Schachbund Rheinland-Pfalz und der Vizepräsident des Pfälzischen Schachbundes, Jan Cerny.
Jeder von ihnen hielt drei Rosen in Händen in den Wappenfarben Rheinland-Pfalz rot, weiß und gelb und übergab sie an Günther Müller, der somit einen Strauß von 24 Rosen bekam, für 24 Jahre Amtszeit als Präsident des Schachbundes Rheinland-Pfalz. Herzliche Umarmungen, festes Händedrücken und strahlende Gesichter der Freude waren zu sehen, als Günther Müller das Spalier der Gratulanten abschritt und sich der einen oder anderen Träne der Rührung nicht schämen musste.
"Diese Ehrung von Günther Müller ehrt auch den Schachbund Rheinland-Pfalz", sagte Ernst Bedau, "Günther Müller hat es nicht immer leicht mit den Seinen gehabt und diese hatten es auch nicht immer leicht mit Günther Müller. Günter Müller lebt für Schach und leidet an Schach, Schach ist ein großer Teil seines Lebens, seine großzügige und noble Art ist einzigartig und sein zeitliches Engagement für Schach grenzenlos. Selbst gesundheitliche Warnsignale prallen an seiner Schachbegeisterung ab, was seine Freunde mit Sorge erfüllt. Aber in seinen Schach-Enthusiasmus lässt er sich nicht hereinreden und wer wollte das auch schon tun, wenn er in dieses schachbegeisterte Gesicht mit den glänzend strahlenden Augen seiner Schachliebe blickt."
Günther Müller hatte sich bei seiner Begrüßungsrede auf dem Kongress von den Delegierten verabschiedet, wird er doch sein Präsidentenamt im Schachbund Rheinland-Pfalz im November 2004 aufgeben. Durch die Ernennung zum Ehrenmitglied gehört Günther Müller auch in Zukunft dem DSB-Kongress mit Sitz und Stimme an. Der Abschied findet also nicht statt. Darüber freuen sich alle. Es ist ein Gewinn für den Deutschen Schachbund, Günther Müller zu behalten. Es ist aber auch ein Gewinn für den Schachbund Rheinland-Pfalz, mit Günther Müller über eine zusätzliche Stimme auf den zukünftigen DSB-Kongressen zu verfügen.
Ernst Bedau