Zu Besuch bei der Deutschen Xiangqi-Meisterschaft

Sven Horn

Seit mittlerweile sechs Jahren betreibt Sven Horn in der Schönhauser Allee im Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg ein Schachcafé. Im "en passant" haben drei Schachvereine ihre Spielabende, dazu kommen noch diverse andere Vereine und Gruppierungen, die nicht unbedingt etwas mit Schach zu tun haben.

Am Wochenende 11. - 13. Juni 2008, lud der Berliner Xiangqi-Verein ins "en passant" ein - zur Deutschen Meisterschaft im Xiangqi. Ich bekam davon nur im Vorbeigehen etwas mit, sozusagen en passant. Am Freitag war unser Vereinsblitzturnier, das mit einem enttäuschenden dritten Platz für mich endete. Ich wollte gerade meine Zeche bezahlen, da liefen mir die Berliner Xiangqi-Spieler über den Weg - und luden mich zur Deutschen Meisterschaft ein.

Die Steinchen warten auf ihre Befehle

Nachdem ich am nächsten Tag den beiden Schachveranstaltungen des Berliner Schachverbandes im Rathaus Schöneberg einen Besuch abstattete, machte ich auf dem Nachhauseweg noch einen Abstecher ins en passant um den Künsten der Xiangqi-Spieler und -Spielerinnen(!) beizuwohnen.

Ein chinesischer Xiangqi-Meister? Ich würde sagen ja. Xuekong Huang aus Berlin war 1995 Deutscher Meister. Neben ihm Stephan Bradler aus Braunschweig.

Frei übersetzt heißt Xiangqi "Chinesisches Schach" oder wie das ND einmal schrieb "Chinaschach". Bleiben wir aber beim besser beim Namen Xiangqi, denn für einen unkundigen Besucher ist das seit dem 13. Jahrhundert bekannte ostasiatische Spiel ein Buch mit sieben Siegeln - und daran ändert auch die Übersetzung nichts.
Ein Berliner Spieler versuchte mir zwar die Regeln zu erklären, doch so richtig verstanden habe ich es nicht. Für mich waren das alles mit Hieroglyphen bemalte Damesteine, die kreuz und quer über ein Mühle- oder Halmabrett ziehen.

Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt für Robert Weidenhöfer (Braunschweig, links) um die Kanonen gegen Joachim Lißner (Berlin) in Stellung zu bringen! Oder fährt er besser den Wagen von i1 nach h1...?

Das Xiangqi-Wochenende begann am Freitag mit der Deutschen Blitzmeisterschaft. Zu gern hätte ich ja gesehen, wie die Meister ihre Steine im Affentempo übers Brett rutschen lassen, aber ich war selbst beim Blitzschach beschäftigt und bekam von dem ganzen Treiben nichts mit.
Zehn Teilnehmer kämpften um den Meistertitel, wobei aufgrund ihrer Wertungszahl eigentlich nur drei Spieler für den Titelkampf in Frage kamen. Die blieben am Ende auch vorn, trennten sich untereinander 1:1 und zerhackten das restliche Feld. Im Stichkampf setzte sich die deutsche Nr. 5 Hanming Weng (Bernburg) gegen die Nr. 1 Duong Lai Hop (Bremen) und die Nr. 4 Michael Nägler (Lingen) durch.

Claus Tempelmann (Magdeburg) gegen Reinhard Knab (Nürnberg) - und die Grundreihe ist noch unterentwickelt...

Der Deutsche Xiangqi Bund (DXB) berechnet seine Ranglisten nach dem Ingo-System, einem Wertungssystem das bis 1990 Vorläufer der DWZ im Deutschen Schachbund war. Die Anzahl der in der Rangliste aufgeführten Spieler ist überschaubar. Gerade einmal 63 Spieler finden sich darin und der Ranglistenerste hat Ingo 85, was etwa Elo 2105 entspricht. Hier von einem hohen Niveau zu sprechen, wäre sicher stark übertrieben. Allenfalls im europäischen Maßstab spielen die Deutschen eine Rolle; 9, 12 und 15 sind die Ranglistenplätze der besten drei DXB-Mitglieder. Weltweit spielen Europäer überhaupt keine Rolle. 75 von 100 Spielern der Top-100 sind Chinesen! Auf den ersten 32 Plätzen kann sich gar nur ein Vietnamese auf Rang 22 dazwischenmogeln. Die Nr. 1 hat Ingo 7 (etwa Elo 2651).

Der Pokal für den Deutschen Meister

Am Sonnabend begann die "richtige" Deutsche Xiangqi-Meisterschaft. Hier kämpften sechs Spieler an zwei Tagen um den Titel, darunter DXB-Präsident Dr. Michael Nägler, der bereits sechs Mal den Titel gewinnen konnte und auch als Titelverteidiger antrat.\n Parallel zur Meisterschaft wurde der Xiangqi-Sommerpokal ausgetragen. In sieben Runden Schweizer System kämpften 16 Spieler und Spielerinnen um die Punkte. Überraschenderweise spielte hier der frischgebackene Deutsche Xiangqi-Blitzmeister Hanming Weng mit. Hatte er die Qualifikation für die Deutsche nicht geschafft?

Weng gewann den Sommerpokal erwartungsgemäß, wobei 5½ aus 7 auf einige Gegenwehr schließen lassen. Abgesehen von den Berliner Spielern finde ich auf Platz 11 den mir einzig bekannten Namen. Stefan Kalhorn (Ingo 173, etwa Elo 1489) gehört zu den wenigen Xiangqi-Spielern, die deutlich besser Schach als Xiangqi spielen. Der Greifswalder spielt für den Oberligaklub Greifswalder SV und hat DWZ 2126!

Den deutschen Meistertitel konnte Michael Nägler nicht verteidigen. Der Pokal ging an Duong Lai Hop, der gegenüber Fangyao Pu (Essen, Nr. 3 der deutschen Rangliste) die knapp bessere Wertung hatte. Nägler wurde Dritter.

Deutsche Meisterschaft auf MyVideo: www.myvideo.de/movie/4678771
Sommerpokal auf MyVideo: www.myvideo.de/movie/4678371

(Anm. d. Red.: Beide Videos sind leider nicht mehr online, weil MyVideo seinen Dienst am 2. Mai 2016 eingestellt und alle Videos gelöscht hat)

Frank Hoppe