Harry Friedrich: Der Sammler, Rechner und Genießer

Am 06. Dezember 1947 wurde Harry Friedrich in Niedersachsen geboren. Ein echter Norddeutscher. Nicht geschwätzig, mit tiefgründigem Humor, echte Freundschaften über Jahrzehnte pflegend.

Ein Leben lang fühlte er sich den Zahlen verpflichtet, er kam von ihnen einfach nicht los. Nach einer kaufmännischen Ausbildung arbeitete er bei der Traditionsfirma Pelikan in Hannover und hantierte dort mit Zahlen. Nebenbei ging er seinem Hobby Schach nach. Mehr sogar, er spielte es leidenschaftlich und gut. Doch das alleine genügte ihm nicht. Er engagierte sich ehrenamtlich für den Schachsport, wurde Schatzmeister im Bezirk Hannover und Anfang der siebziger Jahre ins Präsidium des Niedersächsischen Schachverbandes gewählt - als Schatzmeister.
In dieser Funktion besuchte er den Kongress des Deutschen Schachbundes als gerade eine Präsidiumsstelle frei wurde, die des Schatzmeisters. Das war im Jahre 1976. Die Zeit also als in Berlin West die Geschäftsstelle des Deutschen Schachbundes unter dem Präsidenten Alfred Kinzel aufgebaut wurde. Diese entwickelte sich rasant in ihrer Aufgabenstellung und der anfallenden Arbeitsbelastung, so dass Anfang der achtziger Jahre die Stelle eines weiteren Mitarbeiters ausgeschrieben werden musste. Dessen Hauptaufgabengebiet sollte sein: die Finanzen des DSB.
Harry Friedrich nutzte die Chance sein Hobby mit seinem Interesse für die Zahlen zu verbinden und bewarb sich auf die Stelle. 1982 begann er beim DSB und wechselte von Hannover nach Berlin, in die damals noch ummauerte Stadt.

In der Zeit als DSB-Schatzmeister lernte er auch seine künftige Frau Bärbel kennen. Eine deutsch-deutsche Beziehung. Sie lebte in Magdeburg in der damaligen DDR, er in Hannover. Es war kompliziert den Kontakt zu halten, teilweise fanden die Treffen am Rande der Transitstrecke nach Berlin statt. Die Staatssicherheit war immer präsent, wie die später eingesehene Akte zeigte. Doch die Beziehung ließ sich durch nichts aufhalten. Sie heirateten 1980 und zogen nach Berlin, wo 1982 die Tochter Stephanie geboren wurde.
Ende der achtziger Jahre gingen beide unterschiedliche Wege. Einige Jahre später, die Mauer war unterdessen gefallen, die Wege in das Berliner Umland frei, traf er seine zweite Frau Ursula. Sie wohnte in Dresden, er in Berlin. Es entwickelte sich eine Wochenendbeziehung, denn seine Stelle beim Schachbund zu kündigen, das kam für beide nicht infrage. Aber die Hochzeit, das war auch keine Frage, wurde organisiert. Und als Konrad, der Sohn von Ursula aus ihrer ersten Ehe, das Abitur in der Tasche hatte und mit dem Studium begann, zog sie zu ihm nach Berlin. Das war im August letzten Jahres.

Harry Friedrich hatte den Finanzbereich im DSB fest im Griff. Wurden die Visionen seiner Kollegen bunt an den Himmel gemalt, so kam irgendwann von ihm die alles entscheidende Frage: "Und wie wollen wir das bezahlen?" Er war nicht der Mann für die Außenauftritte, das überließ er anderen. Er wirkte im Inneren, still, leise, unauffällig, aber nicht weniger einflussreich und kompetent. Bevor die Deutsche Schachjugend eine eigene Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle platzieren konnte, war er Ansprechpartner für den Jugendbereich und ständiger Gast auf den DSJ-Versammlungen. Zusätzlich kümmerte er sich um die Bereiche Öffentlichkeitsarbeit, Lehrarbeit und Breitenschach. Im Laufe der Zeit wurde er auch Gesellschafter der Deutscher Schachbund Wirtschaftsdienst GmbH und einer ihrer beiden Geschäftsführer.

Das wettkampfmäßige Schachspielen reduzierte er mehr und mehr, zu anstrengenden Mannschaftskämpfen früh am Sonntagmorgen – so wird in Berlin gespielt – hatte er bald keine Lust mehr. Aber das aufgebaute Schachspiel stand immer an seinem Arbeitsplatz. Auf ihm verfolgte er, viele Partien nachspielend, das Weltgeschehen im Schach. Aber auch die ehrenamtliche Arbeit ließ ihn nicht los. In seinem Verein SC Kreuzberg wirkte er eine Zeit lang als Mannschaftsführer der ersten Mannschaft und - natürlich - bis zum Sommer diesen Jahres als Schatzmeister.

Doch wer ihn auf das Schachspiel und die Zahlen reduzieren will, wird Harry Friedrich nicht gerecht. Nach und nach entwickelte er sich zu einem Fachmann der kleinen gezackten Marken, der Briefmarken. Er wurde zum engagierten Sammler, der auf vielen Auktionen tätig war und sich eine umfangreiche, wertvolle Sammlung aufbaute. Abends vor seinen Alben sitzend, neben sich ein Glas eines ca. 20 Jahre alten Whiskys stehen habend, an dem er ab und an genüßlich nippen konnte, das war für ihn ein wichtiger Ausgleich zum Beruf. Der andere war das Wandern in der Natur. Sobald es in Berlin wieder möglich war, machte er sich in das Brandenburger Umland auf und erwanderte dessen Schönheiten. Oder er fuhr mit Ursula und Freunden in die Sächsische Schweiz, in die Thüringer Berge. An diesen Wochenenden holte er sich die Kraft für die Woche.

Und die brauchte er, denn in den letzten zehn Jahren verschlechterte sich sein Gesundheitszustand zusehends. Die Arztbesuche häuften sich. Er machte daraus keine Geschichten. Das war halt so. Wobei wahrscheinlich nur er wusste, wie es wirklich um ihn stand. Doch er wollte leben. Er sprach davon mit Ursula nach seiner Frühpensionierung Ende 2005 ganz nach Dresden zu ziehen. Er hatte Pläne.
Am 22. Juli jedoch, wenige Tage vor seinem Jahresurlaub, wollte sein Herz nicht mehr. Es hörte auf zu schlagen. Im Büro am Arbeitsplatz.
In diesem Moment verlor der Deutsche Schachbund einen zuverlässigen und wertvollen Mitarbeiter.

Alfred Schlya - Horst Metzing - Jörg Schulz

Meldungen auf der DSB-Homepage

22.07.2004 von Jörg Schulz, DSB-Geschäftsstelle

Am 22. Juli 2004 Vormittag ist der stellvertretende Geschäftsführer des Deutschen Schachbundes während seiner Arbeit in der Geschäftsstelle des DSB in Berlin verstorben.

Alle Versuche, Harry Friedrich ins Leben zurückzuholen, sowohl durch seine anwesenden Kollegen, als auch über eine Stunde durch die Feuerwehr und die Notärzte, hatten keinen Erfolg. Harry Friedrich verstarb heute Vormittag im Büro; vermutlich an einem Herzstillstand oder einen Herzinfarkt. Wir Kollegen wussten von ihm, dass er mit verschiedenen Krankheiten zu kämpfen hatte, keiner jedoch ahnte wie ernst sein gesundheitlicher Zustand war. Harry Friedrich arbeitete seit Anfang der achtziger Jahre in der Geschäftsstelle des DSB, zuvor wirkte er als ehrenamtlicher Schatzmeister für den DSB. Harry Friedrich wurde 56 Jahre alt. Am 25. Juli 2004 wollte er mit seiner Frau in den Urlaub fahren und für drei Wochen Polen erkundschaften. Zudem freute er sich auf die Ende 2005 nahende Frühpensionierung. Die Mitglieder des Präsidiums des DSB, die Vertreter der Landesverbände und die Mitarbeiter der Geschäftsstelle trauern um einen wunderbaren Schachfreund und lieben Kollegen und sind in Gedanken bei seiner Frau und seiner Tochter.

Nach Informationen von Jörg Schulz.
Norbert Heymann

28.07.2004 von Louisa Nitsche, DSB-Geschäftsstelle

Die Beisetzung des stellvertretenden DSB-Geschäftsführers Harry Friedrich findet am Freitag, 30. Juli 2004, 11:00 Uhr, Stadtfriedhof Hannover-Stöcken (Stöckener Str. 68, Straßenbahn 4/5) statt.

Louisa M. Nitsche, Deutscher Schachbund