Mit Wirkung vom 1. Januar 1952 ist die Turnierordnung des Deutschen Schachbundes in Kraft gesetzt worden. Sie enthält u. a. klare Bestimmungen, wer künftighin den Titel eines "Schachmeisters des DSB" erringen kann, der nunmehr ohne Zeitbeschränkung gewährt wird. Das Präsidium des DSB hat letzthin beschlossen, den Titel auch denjenigen Meisterspielern zuzuerkennen, die ihn ursprünglich auf Grund der früheren Turnierordnung nur für eine begrenzte Zeit erhalten hatten, um so eine einheitliche Basis zu schaffen.
Es dürfte die breitere Öffentlichkeit interessieren, nachstehend die Namen der gegenwärtigen 34 Titelträger zu erfahren:
Anmerkung: Vornamen und Alter zum Zeitpunkt der Würdigung wurden von mir nachträglich eingesetzt. Webmaster
Es wird dem einen oder anderen Leser auffallen, daß die Namen der Meister in streng alphabetischer Reihenfolge aufgeführt worden sind. Von einer Rangeinstufung und der Aufstellung einer entsprechenden Rangliste hat das Präsidium des DSB bisher bewußt Abstand genommen. Es dürfte ungeheuer schwierig sein, einen in jeder Hinsicht unanfechtbaren Maßstab zu finden, wonach die Bewertung jedes einzelnen Meisters zu erfolgen hätte. Denn es wäre z. B. unvollkommen und lückenhaft, lediglich die Ergebnisse der jeweiligen deutschen Einzelmeisterschaften zugrunde legen zu wollen. Aus dem gleichen Grunde erfolgt auch die Auswahl der Teilnehmer für internationale Wettkämpfe nicht nach einem starren Schema, sondern auf Grund eines Gesamtbildes, so wie der betreffende Meister sich dem Präsidium darstellt. Daß hierbei verschiedenartige Meinungen zutage treten können, ist nicht überraschend und unvermeidlich. Wie würde aber erst eine Gesamtrangliste der 34 Meister angefochten werden können! Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Veröffentlichung der "Ingo-F-Zahlen", die trotz sorgfältiger theoretischer Berechnung immer umstritten bleiben werden.
Ich möchte dann noch kurz auf den häufiger gehörten Einwand zu sprechen kommen, daß wir viel zu viel Schachmeister hätten. Man sprach schon von "Meisterzüchtung" und "Meisterinvasion" und ähnlichem mehr. Wer so argumentiert, verkennt die heutigen Verhältnisse im Schachleben, die mit denen früherer Zeiten nicht mehr verglichen werden können. Die allgemeine Ausweitung des Turnierschachs und die Vertiefung und Abrundung unserer schachtheoretischen Erkenntnisse hat in der jüngeren Zeit eine zahlenmäßig bedeutsame Elite von Spielern mit wirklicher Meisterstärke heranwachsen lassen, und zwar nicht nur bei uns, sondern im gleichen Maße, wenn nicht sogar noch verstärkt im Ausland. (Man denke z. B. an die Sowjetunion, Jugoslawien, Ungarn usw.!) So gesehen stellt eine Liste von 30-40 nominierten Schachmeistern nur eine Auswahl von einer noch viel größeren Anzahl mehr oder weniger gleichrangiger Schachkönner dar. Man könnte die Zahl der Spieler von meisterlichem Rang bei uns ohne Schwierigkeit auf 50-60 erhöhen, wenn man bedenkt, daß in der jetzigen offiziellen Meisterliste noch viele Namen von Rang und Klang fehlen, wobei ich im Augenblick nur einige wenige wie Hodakowski, Wildschütz, Ernst, Engert, Schindler, Dr. Lauterbach, Elsas usw. usw. nennen will. Es besteht auch wohl kaum die Gefahr, daß sich die Zahl der Meister von Jahr zu Jahr über Gebühr vermehren wird, man wird unter den ersten acht Siegern der deutschen Einzelmeisterschaft sicherlich immer wieder die Namen der bewährten Meistergilde finden. Und der junge Nachwuchs wird stets größte Anstrengungen machen müssen, wenn es ihm gelingen soll, in die Liste der lebenden deutschen Schachmeister eingetragen zu werden. Jedenfalls werde ich als Turnierleiter des Deutschen Schachbundes keinesfalls betrübt sein, wenn ich anläßlich der Meisterschaften junge, nachdrängende Kräfte zur neuen Meisterwürde beglückwünschen darf.
Dr. Hans Rasquin
Rasquin (* 1901 † 1991) war Bundesturnierleiter des Deutschen Schachbundes von 1950-52