Schach einmal anders - Tandem-Schach – "Ein verrücktes Spiel"

von Dr. Egon Walzer

Wir, das ist die Jugendabteilung des Schachclubs 1959 Bischofsheim e. V., kennen seit wenigen (mittlerweile sind’s schon viele, Anm. CK) Jahren eine neue Spielart, das Tandem-Schach. Da sich dieses Spiel in letzter Zeit immer größerer Beliebtheit erfreut, fanden wir es an der Zeit, es einmal in der Rochade einem größeren Leserkreis vorzustellen. Es gibt für Tandem noch keine offiziellen Richtlinien, und so haben wir außer der Spielidee auch gleich (inoffizielle) Regeln herausgearbeitet und aufgeschrieben. Hierin sind unsere Erfahrungen aus mehreren Tandem-Jahren eingeflossen. Wir haben alle möglichen (und unmöglichen) Varianten eingehend getestet und sehen die folgende Aufstellung als die beste Lösung an, so dass sich andere Spieler und Vereine hieran ruhigen Gewissens orientieren oder die Regeln komplett übernehmen können.

Noch eine Anmerkung vorweg: Wir haben mit Tandem als Auflockerung des Spielbetrieb-Alltags ausgezeichnete Erfahrungen gemacht. Tandem kann jedoch in keiner Weise die regulären Blitzturniere oder gar die Vereinsmeisterschaft in der langen Partie ersetzen. Dies gilt besonders für Jugendliche, die noch etwas dazulernen sollen.

Nun unsere Regeln:

  1. Tandem-Schach ist ein Mannschaftsspiel. Eine Mannschaft besteht aus zwei Spielern.
  2. Es wird an zwei benachbarten Brettern gespielt, die Spieler einer Mannschaft sitzen auf der gleichen Seite des Tisches, also nebeneinander.
  3. In jeder Mannschaft erhält ein Spieler die Weißen, der andere Spieler die schwarzen Steine.
  4. Die Idee des Spiels ist nun folgende:
    1. Spieler A der Mannschaft I führt die weißen Steine, schlägt somit die schwarzen Figuren seines Gegners.
    2. Diese geschlagenen schwarzen Steine übergibt Spieler A seinem Mitspieler, der diese dann als die eigenen Figuren in seine Partie einbauen kann.
    3. Alle Spieler verfahren in entsprechender Weise.
    4. Damit findet zwischen den Spielern einer Mannschaft ein ständiger Austausch der erbeuteten und abgetauschten Steine statt; geschlagene Figuren erwachen auf dem Nebenbrett zu neuem Leben. (Dabei kann es also vorkommen, dass man durch einsetzen mit zwei weißfeldrigen Läufern oder vier Springer spielt.)
  5. Jeder Spieler erhält 5 Minuten Bedenkzeit. Die beiden Schachuhren stehen außen, damit jeder Spieler beide Uhren einsehen kann.
  6. Wenn nicht anders betont (z. B. 5.: Stellung der Uhren), gelten die Blitzregeln des DSB, insbesondere: Berührt-geführt; König darf geschlagen werden; unmöglicher Zug verliert.
  7. Die Besonderheit des Spiels ist nun das Einsetzen einer Figur, die der Mitspieler seinem Gegner geschlagen hat. Dabei ist folgendes zu beachten:
    1. Figuren dürfen nur auf freien Feldern eingesetzt werden.
    2. Das Einsetzen einer Figur gilt als Zug.
    3. Figuren dürfen mit gleichzeitigem Schachgebot, jedoch nicht mit "Matt" eingesetzt werden (= "Matteinsetzen verboten"!). Eine mit Matt eingesetzte Figur muss wieder zurückgenommen werden.

      Anmerkung: Wenn die Figuren mit Schach eingesetzt werden dürfen, entwickeln sich mitunter wahre Treibjagden auf dem Brett, das Spiel wird dadurch viel lebendiger. Die Abwechslung ist manchmal atemberaubend, denn ein in Not geratener Spieler kann sich mit Hilfe solcher Schachgebote oft wieder befreien.
      Als negativ dagegen empfanden wir, wenn die Figuren auch mit Matt eingesetzt werden dürfen. Eine Dame, mit Matt vor dem König eingesetzt, war uns etwas zu plump. Unsere Regelung bringt noch mehr Farbe ins Spiel, denn sie erfordert mindestens 2-zügige Mattkombinationen und sehr viel mehr Ideenreichtum mit dem Material, das sich bereits auf dem Brett befindet.
    4. Bauern dürfen weder auf der eigenen noch auf der gegnerischen Grundreihe eingesetzt werden.
    5. Zieht ein Bauer auf die letzte Reihe, kann er sich in keine andere Figur umwandeln, sondern bleibt dort als Bauer stehen, bis er geschlagen wird.

      Anmerkung: Würde sich ein Bauer in eine Figur umwandeln, müsste er als solche gekennzeichnet oder ersetzt werden. Hier gab es oft Schwierigkeiten. Ein weiteres Problem ist, ob ein so promovierter Bauer als Bauer oder als Figur an den Mitspieler weitergegeben wird. Um hier Diskussionen und Streitigkeiten aus dem Wege zu gehen, haben wir es beim "ewigen" Bauern belassen.
    6. Eine einzusetzende Figur muss eingesetzt (geführt) werden, wenn sie das Schachbrett berührt hat. Ist die Figur losgelassen, gilt der Zug als ausgeführt, Rücknahme ist nicht mehr möglich, Ausnahme sie 7c.
  8. Eine Begegnung ist gewonnen, wenn einer der beiden Spieler gewonnen hat. Dieses kann geschehen durch:
    1. Mattsetzen des Gegners
    2. Zeitüberschreitung
    3. unmöglicher Zug, König geschlagen
    4. Aufgabe
    5. nachweisbares Matt des Gegners im darauffolgenden Zug.

      Das heißt: Der Gegner, der im Schach stehen muss, (sonst könnte er die Niederlagen mit eigenen Schachgeboten hinauszögern) hat nur noch einen zwangsläufigen Gegenzug, worauf unweigerlich Matt im Zuge 1 folgen muss. Das "Matt im nächsten Zug" muss mit dem auf dem Brett befindlichen Material angekündigt und ausgeführt werden, denn sonst müsste Matt durch eine einzusetzende Figur erfolgen, was ausgeschlossen ist, oder es wäre nicht der nächste Zug.

      Einfachstes Beispiel:
      Schwarz steht im Schach und kann das Grundlinienmatt nur noch durch Einsetzen einer beliebigen Figur (kein Bauer) auf f8 um einen Zug verzögern. Weiß kündigt matt im nächsten Zug auf f8 an und gewinnt damit die Partie. Diagramm einscannen!

      Anmerkung: Am Anfang hatten wir oft die Situation, dass ein Spieler kurz vor dem Matt einfach keinen Zug mehr machte, um so die Niederlage um die verbleibende Bedenkzeit hinauszuzögern, in der Hoffnung, der Mitspieler könnte zwischenzeitlich vielleicht noch gewinnen. Wenn dieser Mitspieler dann tatsächlich gute Chancen hatte, stellte dessen Gegner seinerseits das Ziehen ein und man musste warten, wo das Blättchen zuerst fallen würde. Da wir aber Tandem spielen, und nicht Uhren betrachten wollten, war dies für uns eine sehr unbefriedigende Situation und wir trafen obige Regelung. Wir finden es außerdem sportlich, wenn ein Spieler eine offensichtliche, unabwendbare Niederlage eingesteht, und viel interessanter, das Glück in einer neuen Partie zu suchen.
  9. Remis kommt zustande, wenn
    1. jeweils ein Spieler einer Mannschaft mattgesetzt wird (gleichzeitig)
    2. wenn bei je einem Spieler die Zeit überschritten ist
    3. durch Dauerschach auf einem Brett
    4. durch Einigung der Mannschaften.
    5. Im Remisfalle empfehlen wir, die Partie zu wiederholen, um eine eindeutige Entscheidung herbei zu führen.
    6. Patt gibt es nicht. Notfalls muss als Zug eine Figur eingesetzt werden.
  10. Spieler einer Mannschaft dürfen sich untereinander verständigen, soweit es das eigene Brett betrifft.
    1. Beispiel: "Ich brauche einen Bauern/Turm zum Einsetzen!" oder: "Vorsicht, ich verliere/opfere die Dame/einen Springer!"
    2. Ausnahme: Zeitüberschreitung des Gegners darf auch vom Nachbarbrett aus reklamiert bzw. der eigene Mitspieler auf eine drohende Zeitüberschreitung hingewiesen werden.
    3. Die Verständigung darf auf keinen Fall so weiter gehen, dass sich die Spieler gegenseitig Züge vorschlagen oder Kombinationen beraten.
  11. Das zur Verfügung stehende Einsatzmaterial muss jederzeit für den Gegner sichtbar aufgestellt werden.
  12. Nach einer Partie werden die Bretter unverändert aufgestellt, die Verlierermannschaft tauscht für die nächste Partie ihre Plätze.

    Anmerkung: So ist es gewährleistet, dass Gegner und Farbe laufend wechseln. Es kann keine Langeweile aufkommen.
  13. Bei einem Tandem-Turnier mit mehreren Mannschaften ist es sinnvoll, für jede Runde 2-4 Partien anzusetzen, die Zufallsquote wird erheblich kleiner. Das Turnier kann leicht im Rutschsystem durchgeführt werden.

    Besonders bei einem vereinsinternen Tandem-Turnier hat es sich als sehr reizvoll und spannungsfördernd erwiesen, die Mannschaftszusammensetzungen unter den gemeldeten Spielern auszulosen.
  14. Nach der letzten Tandem-Partie des Abends sortieren (!) die Spieler die Figuren und bauen ihre Bretter auf, sonst gibt es nach drei Wochen keinen einzigen kompletten Figurensatz mehr.

Wir hoffen, dass sowohl Tandem-Neulinge, als auch Kenner unsere Regeln ebenfalls für gut befinden bzw. davon profitieren können und freuen uns schon auf die hoffentlich baldige erste Hessische Tandem-Meisterschaft.

Kontaktadresse für Fragen, Anregungen und Verbesserungsvorschläge:

Schachclub 1959 Bischofsheim, 1. Vors. Dr. Egon Walzer, Am Bornberg 9, 6457 Maintal

Dr. Egon Walzer, SK 1959 Bischofsheim